Mehr junge Tatverdächtige

Neue Publikation „Zahlen ‒ Daten ‒ Fakten: Jugendgewalt“ des DJI verweist auf Zunahme der Kriminalität junger Menschen

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10. August 2023 -

Im Jahr 2022 sind laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik (PKS) die Fälle von Jugendgewalt im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen. Es sind die ersten Zahlen der PKS nach dem Ende der Coronapandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen für junge Menschen. „Der beobachtbare Anstieg ist nicht dramatisch und liegt nicht auf dem Niveau von vor zehn Jahren. Es gilt nun die weitere Entwicklung zu beobachten“, erklärt Dr. Diana Willems, Referentin der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention am Deutschen Jugendinstitut (DJI).

Gemeinsam mit ihren Kolleginnen wertete die Wissenschaftlerin Daten der PKS sowie weiterer Statistiken wie die Statistik zur Strafverfolgung oder zum Strafvollzug aus. Die Publikation „Zahlen ‒ Daten ‒ Fakten: Jugend­gewalt“ enthält ihre aktualisierte Zusammenstellung zu Delinquenz junger Menschen im Allgemeinen sowie zur Entwicklung von Jugendgewalt und Viktimisierung junger Menschen durch Gewalt. Darüber hinaus unter­suchten die Wissenschaftlerinnen die Strafverfolgung tatverdächtiger junger Menschen und mögliche (Weiter-)Entwicklungen kriminalitäts­präventiver Maßnahmen.  

Wird von Jugendkriminalität, zu der Jugendgewalt zählt, gesprochen, geht es vor allem um die Altersgruppen 14 bis unter 21 Jahre. Die Forscherinnen betrachten zusätzlich auch Kinder unter 14 Jahren und Jungerwachsene bis unter 25 Jahren. Im Jahr 2022 registrierte die Polizei insgesamt 664.573 tatverdächtige junge Menschen. Im Vergleich zum Vorjahr mit 575.225 Tatverdächtigen verzeichnet die PKS damit bei den absoluten Zahlen insgesamt eine Zunahme der Kriminalität junger Menschen.

Abbildung: Tatverdächtigenbelastungszahlen deutscher tatver­dächtiger junger Menschen nach Alter in den Jahren 2018 bis 2022 – alle Delikte

Tatverdächtigenbelastungszahlen deutscher tatverdächtiger junger Menschen nach Alter in den Jahren 2018 bis 2022 – alle Delikte

Quelle: Bundeskriminalamt 2021, PKS 2020 - Zeitreihen, Tabelle 40 - insgesamt; Bundeskriminalamt 2022a, PKS 2021, Tabelle 40; Bundeskriminalamt 2023a, PKS 2022, Tabelle 40. Eigene Darstellung der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention, München
Lesehilfe: In der Altersgruppe der 18- bis unter 21-Jährigen wurden im Jahr 2022 5.090 von 100.000 deutschen 18- bis unter 21-Jährigen eines Delikts verdächtigt.
 

Die Hellfelddaten, das heißt das amtlich registrierte Kriminalitäts­geschehen der PKS des Jahres 2022, haben die Wissenschaftlerinnen mit aktuellen Erkenntnissen aus Dunkelfeldstudien ergänzt. Diese nehmen auch jene Straftaten in den Blick, die den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt geworden sind.

Einfache Körperverletzungen und Gewaltkriminalität haben zugenommen

Die am DJI analysierten Daten zu Jugendgewalt beinhalten ausgewählte Zahlen zur vorsätzlichen einfachen Körperverletzung und zu schweren Gewaltdelikten. Die schweren Delikte, unter anderem gefährliche und schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigung sowie Mord und Tot­schlag, machen nur einen kleinen Teil der gesamten Jugenddelinquenz aus.

Die PKS weist für das Jahr 2022 im Bereich der vorsätzlichen einfachen Körperverletzung eine deutliche Zunahme von jungen Tat­verdächtigen im Vergleich zu 2021 aus. Sie lag jedoch unter der Anzahl der jungen Tatver­dächtigen in 2019. In allen Altersgruppen zeigt sich, dass die Anzahl der tatverdächtigen jungen Menschen 2022 höher war als 2021.

Im Bereich der Gewaltkriminalität sind die Zahlen polizeilich registrierter junger Tatverdächtiger zwischen den Jahren 2021 und 2022 in allen Altersgruppen angestiegen. Unter den Kindern mit 27,9 % und unter den Jugendlichen mit 11,9 % haben im Vergleich zu 2019 jeweils die Tatverdächtigen von schweren Gewaltdelikten zugenommen. Bei den Heranwachsenden und Jungerwachsenen sank im gleichen Zeitraum die Anzahl.

„Eine mögliche Erklärung für den Anstieg der Gewalttaten von jungen Menschen wäre, dass durch die Einschränkungen während der Coronapandemie die psychische Belastung gestiegen ist und auch die Entwicklung des Sozialverhaltens von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt wurde“, meint Diana Willems. Dies könne dazu geführt haben, dass in der Folge jugendtypische Peer-Konflikte eher eskalierten.

Werden die Zahlen nach Geschlecht betrachtet, zeigt sich, dass männliche Heranwachsende deutlich häufiger als Tatverdächtige von Gewaltdelikten in Erscheinung traten als weibliche.

Wenn die langjährige Entwicklung von Gewalttaten von jungen Menschen in den letzten 20 Jahren berücksichtigt wird, sind die für das Jahr 2022 berichteten gestiegenen Zahlen noch auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau.

Nach jahrelangem Rückgang der Opferzahlen war im Jahr 2022 – wie für Delinquenz – eine deutliche Zunahme zu beobachten. Zudem zeigt sich auch hier hinsichtlich Körperverletzungsdelikten und Gewaltkriminalität, dass männliche Jugendliche und junge Männer häufiger als Opfer erfasst werden.

Ausbau der Präventionsstrategien fortsetzen

Die Wissenschaftlerinnen stellen fest, dass es in der Kinder- und Jugend­hilfe, der Schule oder auch bei Polizei und Justiz heute zahlreiche Strate­gien der Kriminalitätsprävention im Allgemeinen und der Gewaltpräven­tion im Speziellen gibt. Sie empfehlen, „den eingeschlagenen Weg des Ausbaus der Präventionsstrategien fortzusetzen und die wichtige Rolle der Kinder- und Jugendhilfe weiterhin zu befördern. Darüber hinaus ist eine Weiterentwicklung von opferbezogenen Ansätzen wünschenswert.“

Publikation „Zahlen – Daten – Fakten: Jugendgewalt“ [1]Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention am DJI[2]


Kontakt
Dr. Bettina Grüne
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention
Tel.: 089/62306-330
gruene@dji.de

Sonja Waldschuk
Abteilung Medien und Kommunikation
Tel.: 089/62306-173
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