Demokratie fördern, Vielfalt gestalten und Prävention von Extremismus
DJI veröffentlicht Berichte zur Ermittlung von Bedarfen und Handlungsempfehlungen für Fachpraxis und Politik

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Fachkräfte in den Bereichen Demokratieförderung, Extremismusprävention und Vielfaltgestaltung sind täglich mit neuen gesellschaftlichen Entwicklungen und fortbestehenden Bedrohungen der Demokratie durch antidemokratische Akteure konfrontiert. Sie stehen vor der Herausforderung, mit der jeweiligen Situation möglichst gut umgehen zu können. Das Verbundprojekt „Ermittlung von Bedarfslagen im Bereich Demokratieförderung und Extremismusprävention“ hat sich mit diesen Herausforderungen auseinandergesetzt. Ziel des Vorhabens ist es, den Wissensstand zu Bedürfnissen und Bedarfslagen junger Menschen und Fachkräften in den Handlungsfeldern Demokratieförderung, Extremismusprävention und Vielfaltgestaltung auszubauen. Aufbauend auf diese Analysen wurden Handlungsempfehlungen für Fachpraxis und Politik formuliert. Zu diesem Zweck wurde einerseits im Rahmen eines Systematic Review recherchiert, welche Ergebnisse sich aus anderen, bereits durchgeführten Studien ableiten lassen. Hierfür wurden wissenschaftliche Veröffentlichungen gesichtet und Daten aus Befragungsstudien mit einem ähnlichen thematischen Fokus neu ausgewertet. Zum anderen wurden eine Reihe von eigenen Studien durchgeführt. Befragt wurden Jugendliche, junge Erwachsene und Fachkräfte an Kitas, Schulen und aus der Kinder- und Jugendhilfe.
Im Verbundvorhaben kooperieren das SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies und das Deutschen Jugendinstitut (DJI). Sie bearbeiteten die Bereiche Demokratieförderung und Extremismusprävention. Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) führte als externer Verbundpartner Studien im Bereich Vielfaltgestaltung durch. Im Rahmen des Verbundvorhabens wurden nun sechs Teilberichte für die Bereiche Demokratieförderung und Extremismusprävention veröffentlicht. Die Einleitung (Teilbericht 1) gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Berichte, die Literaturübersicht (Teilbericht 2) einen ersten Einblick in die Forschungslage. Die Teilberichte 3 bis 6 stellen die empirischen Befunde des Verbunds vor.
Einblick in die empirischen Befunde
In den Sekundäranalysen der DJI-Fachgruppe „Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe“ analysierten die Forschenden verfügbare Daten zu Einstellungen, Wertorientierungen und Alltagspraxen junger Menschen, die im Zusammenhang mit Demokratieförderung und Extremismusprävention für Fachkräfte und Zielgruppen relevant sein können. Hierzu zählen zum Beispiel Einstellungen gegenüber demokratischen Werten und anvisierte sowie umgesetzte Aktivitäten, wie etwa politische Partizipation oder politische Passivität. Zusammenfassend weist die Analyse darauf hin, dass es bezüglich autoritärer Einstellungen, Verschwörungsgläubigkeit und Gewalt problematische Anzeichen bei einem Teil der jungen Menschen gibt. Gleichzeitig ist die Ausgangslage aufgrund vergleichsweise niedriger Werte bei demokratiefeindlicher Einstellungen vorsichtig als „günstig“ zu bezeichnen. Außerdem ist bei jungen Menschen in Deutschland im europäischen Vergleich eine hohe politische Selbstwirksamkeitserwartung festzustellen. Hinsichtlich der Fachkräfte zeigt die Analyse, dass es einen Bedarf an Aus- und Weiterbildung im Bereich politischer Bildung gibt.
Zur Einbeziehung der Perspektive junger Menschen hat die DJI-Fachgruppe „Politische Sozialisation und Demokratieförderung“ eine standardisierte Online-Befragung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen von 16 bis 27 Jahren durchgeführt Thematisch umfasst die Befragung fünf Bereiche: politische Einstellungen und Haltungen, Hass im Netz, Kontakt zu Extremismus, politische Partizipation und politische Bildung. Bedarfe wurden einerseits aus den politisch relevanten Haltungen und Handlungen abgeleitet als auch aus den Problemwahrnehmungen und eigene Betroffenheit von demokratiegefährdenden Phänomenen der jungen Menschen. Die Befunde zeigen unter anderem klare Lern- und Unterstützungsbedürfnisse junger Menschen. So fühlen sich viele Befragte eingeschüchtert durch Hass im Netz. Viele geben an, dass sie gerne lernen würden, wie man auf Hass im Netz reagieren kann oder dass sie Unterstützung beispielsweise beim Melden von Hasskommentaren brauchen.
Die DJI-Fachgruppe „Familienhilfe und Kinderschutz“ befragte Fachkräfte in Schulen und Kindertageseinrichtungen. Ihr Ziel war es, belastbare Daten zur Häufigkeit von Konflikten mit radikalisierten Eltern und Kindern, aber auch radikalisierten Mitarbeitenden zu gewinnen. Darüber hinaus fragten sie nach der Belastungswirkung solcher Konflikte und Wünsche hinsichtlich der Unterstützung durch spezialisierte Träger der Extremismusprävention und Demokratieförderung. Einbezogen werden konnten 533 Antworten (Teilnahmequote 10,5%) von Leitungskräften aus Kindertagesstätten in allen Bundesländern sowie 1.235 Antworten (Teilnahmequote 11,8%) schulischer Leitungskräfte aus 14 Bundesländern. Den Ergebnissen zufolge kommt es in substantiellen Teilen der Kindertageseinrichtungen und (etwas häufiger) der Schulen zumindest gelegentlich zu Konflikten mit Eltern, die menschen- oder demokratiefeindliche Einstellungen oder Verschwörungserzählungen vertreten. Etwas seltener berichten die Leitungskräfte von derartigen Konflikten mit Mitarbeitenden, allerdings werden diese mit höherer Wahrscheinlichkeit als belastend empfunden als Konflikte mit Eltern.
SOCLES führte gemeinsam in Kooperation mit der DJI-Fachgruppe „Familienhilfe und Kinderschutz“ bundesweit sechs Fokusgruppen durch mit insgesamt 42 Leitungs- und Fachkräften aus den Arbeitsfeldern Soziale Dienste im Jugendamt, Hilfen zur Erziehung sowie Schul- und Jugendsozialarbeit. Im Mittelpunkt der Befragung standen dabei die Erfahrungen der Fachkräfte mit Familien, welche demokratie- und menschenfeindliche Überzeugungen sowie Verschwörungserzählungen vertreten sowie die daraus abzuleitenden Bedarfe nach Beratung, Fortbildung und Unterstützung durch spezialisierte Träger der Demokratieförderung und Extremismusprävention. In diesem Zusammenhang wurde diskutiert, inwiefern diese Bedarfe durch bestehende Angebote bereits gedeckt werden und an welchen Stellen noch zu füllende Lücken bestehen. Neben spezifischen Bedarfen der jeweiligen Arbeitsfelder zeigt sich übergreifend ein Bedarf nach phänomenübergreifenden Grundlagenfortbildungen, bundesweiten Anlaufstellen und der Auf- und Ausbau lokaler Netzwerke.
Ausblick
Im Jahr 2024 wird – das Verbundvorhaben abschließend – im Projektteil der DJI-Fachgruppe „Politische Sozialisation und Demokratieförderung“ eine qualitative Jugendstudie zu entsprechenden Phänomen – und Problembelastungen sowie eine Pilotstudie für ein darauf bezogenes, quantitatives Monitoring-Instrument durchgeführt. Beabsichtigt ist damit, die Empirie zur Ermittlung von Bedarfslagen weiterzuentwickeln und Erkenntnisse für mögliche Dauerbeobachtungen zu generieren. Darüber hinaus erstellt das SOCLES eine Expertise, die zentrale rechtliche Fragestellungen der Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe, spezialisierten Träger und den Sicherheitsbehörden im Kontext der Demokratieförderung und Extremismusprävention analysiert.
Die Veröffentlichungen der Teilberichte erscheinen im Jahresverlauf zusammengefasst in einer Broschüre. „Aus unserer Sicht wäre darüber hinaus wünschenswert, wenn die Erkenntnisse aus der Forschung in Kombination mit dem Wissen aus der Fachpraxis und der Programmevaluationen neue Projekte und Programme zur Förderung der Demokratie, Vielfaltgestaltung und Prävention von Extremismus informieren und mitgestalteten", erklärt Dr. Björn Milbradt, Fachgruppenleiter der DJI-Fachgruppe „Politische Sozialisation und Demokratieförderung“, in der das Projekt angesiedelt ist.
Das Verbundprojekt wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert.
DJI-Projekt „Ermittlung von Bedarfslagen im Bereich Demokratieförderung und Extremismusprävention“ mit Download der sechs TeilberichteSOCLES International Centre for Socio-Legal StudiesBundesprogramm „Demokratie leben!“
Kontakt
Laura Meijer
Fachgruppe „Politische Sozialisation und Demokratieförderung“
Tel.: 0345/68178-20
meijer@dji.de
Dr. Björn Milbradt
Fachgruppe „Politische Sozialisation und Demokratieförderung“
Tel.: 0345/68178-37
milbradt@dji.de
Sonja Waldschuk
Abteilung Medien und Kommunikation
Tel.: 089/62306-173
waldschuk@dji.de