Ist die Erzieherinnenausbildung noch zu retten?

Mehr als 250 Teilnehmende beim Online-Fachforum von DJI, WiFF und AGJ über neue Ausbildungsformate für das Arbeitsfeld Kita

20. Oktober 2020 -

Was das Deutsche Jugendinstitut (DJI), die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) am DJI und die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) ursprünglich als kleine Fachveranstaltung mit 40 bis 60 Teilnehmende in Hamburg geplant hatten, fand am 20. Oktober 2020 mit großer Beteiligung in digitalem Format statt: Eine Auseinandersetzung mit neuen Ausbildungsformaten für das Arbeitsfeld Kita, die sich vor dem Hintergrund des großen Fachkräftebedarf entwickelt haben, und wie sich diese auf die Qualität in der Frühen Bildung auswirken. Mehr als 250 Interessierte aus ganz Deutschland nahmen an dem Online-Fachforum mit dem Titel "Ist die Erzieher*innenausbildung noch zu retten?“ teil und verfolgten von ihren Bildschirmen aus Fachvorträge und Diskussionsrunden mit Vertreterinnen und Vertretern aus Trägerorganisationen, Ausbildung, Verbänden, Wissenschaft und Politik.

Fachkräfte sollen schneller in die Kitas gebracht werden
„Dass wir nun viel mehr Teilnehmende haben als ursprünglich geplant, allerdings ohne Face-to-Face-Kontakt, deutet auf die Vorteile des Formats hin und unterstreicht die Relevanz des Themas“, sagt DJI-Direktor Professor Dr. Thomas Rauschenbach in seiner Begrüßung. In diesem Jahr hat der Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder bis zum Schuleintritt einen neuen Höchststand erreicht, dennoch fehlen immer noch rund 324.000 Plätze in Kindertageseinrichtungen und der Tagespflege. Gebremst wird der weitere Ausbau vor allem durch den Mangel entsprechend ausgebildeter Fachkräfte. Vor diesem Hintergrund haben sich neue Ausbildungsformate entwickelt, die durch eine stärkere Praxisanbindung einerseits und eine kürzere Ausbildungsdauer andererseits Fachkräfte schneller in die Kitas bringen sollen. Gleichzeitig werden die Qualifikationsanforderungen an die Fachkräfte zunehmend komplexer, betonte Professorin Dr. Karin Böllert, Vorsitzende der AGJ, einführend: „Fragen des Kinderschutzes, die Inklusion von geflüchteten Kindern, Demokratiebildung und eine anspruchsvolle Zusammenarbeit mit Eltern – all das müssen Erzieherinnen und Erzieher heute zusätzlich leisten“.

Ausbildungsmodelle für jede Lebenslage und mehr Praxis-Bezug
Wie sich die Fachschulausbildung in den vergangenen zehn Jahren verändert hat, legte Professorin Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin, Leiterin der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, in ihrem Vortrag anhand empirischer Daten dar: Unter anderem durch Formen der vergüteten Ausbildung wurde versucht, die Attraktivität des Berufs der Erzieherin und des Erziehers zu erhöhen und sie für einen breiteren Personenkreis zu öffnen. Damit kam es einerseits zu einer deutlichen Zunahme an Ausbildungsformaten, aber auch zu einer engeren Kopplung mit der Praxis, berichtet Fuchs-Rechlin und schlussfolgert: „Zugespitzt formuliert gibt es inzwischen für fast jede Lebenslage das passende Ausbildungsmodell“. Dies führe dazu, dass die Schülerinnen und Schüler mit ganz unterschiedlichen Kenntnissen und Fertigkeiten die Ausbildung beginnen. Diese Diversität berge zwar Chancen für die Ausbildung und den Beruf, gehe aber auch mit großen Herausforderungen für den Unterricht und die Ausbildung einher.

Über diese Entwicklungen in der Ausbildungslandschaft und ihre Auswirkungen diskutierten anschließend Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Praxis, darunter Michael Baumeister von der Bundesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien, nicht konfessionell gebundenen Ausbildungsstätten (BöFAE), Doris Beneke von der Diakonie Deutschland, Regina Käseberg aus dem Ministerium für Bildung in Rheinland-Pfalz und Regina Offer vom Deutschen Städtetag.

Fachkräfte jenseits der Ausbildung gewinnen und binden
Die Ausbildungskapazitäten sind hoch, lassen sich sich aber nicht unbeschränkt steigern und münden auch nicht im gewünschten Umfang in eine frühpädagogische Tätigkeit. Deshalb stellte Professor Dr. Bernhard Kalicki, Leiter der Abteilung Kinder und Kinderbetreuung am DJI alternative Strategien zur Gewinnung der Fachkräfte vor, etwa die breitere Eingliederung von Wieder- und Quereinsteigern, die leichtere Anerkennung ausländischer Abschlüsse oder die stärkere Öffnung hin zu multiprofessionellen Teams. Mindestens ebenso wichtig seien aber Bemühungen, die Fachkräfte in der Kita zu halten, beispielsweise durch bessere Arbeitsbedingungen, eine umfassende Personalführung und attraktivere Karrieremöglichkeiten. Das Verhältnis von Qualität und Quantität bei der Fachkräftegewinnung wurde kontrovers diskutiert von Dr. Elke Alsago von ver.di, Nora Damme aus dem BMFSFJ, Frank Jansen vom Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder, Felix Sauerbrey von der Stadt Leipzig und DJI-Direktor Prof. Dr. Thomas Rauschenbach.


Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte[1]

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