Arm und unglücklich
Am stärksten unter Armut leiden laut einer Studie Kinder, die bei Alleinerziehenden oder in komplexen Patchwork-Familien aufwachsen. Die Corona-Krise dürfte deren Situation noch verschärfen
Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut oder ist von Armut bedroht. Doch wie wirkt sich die finanzielle Situation einer Familie auf das Wohlbefinden und das Verhalten der Kinder aus? Das untersuchten Dr. Valerie Heintz-Martin und Dr. Alexandra Langmeyer vom Deutschen Jugendinstitut (DJI). Die beiden Wissenschaftlerinnen verglichen verschiedene Familienformen und stießen auf deutliche Unterschiede.
In ihrer Studie analysierten die Forscherinnen Daten des DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“, kurz: AID:A. Die Stichprobe umfasst Datensätze aus dem Jahr 2014 zum Wohlergehen und Verhalten von mehr als 12.000 Kindern unter 17 Jahren. Diese basieren auf Elternbefragungen, aber auch auf Aussagen von etwa 4.000 Kindern zwischen 9 und 17 Jahren. Die Auswertung erfolgte unter Berücksichtigung des international anerkannten Family Stress Models (FSM). Anhand des Modells kann gezeigt werden, wie sich Armut und finanzielle Sorgen auf die Qualität von Elternbeziehungen auswirken und wie diese wiederum das Wohlbefinden der Kinder beeinflusst.
Nötig ist eine gezielte Unterstützung für betroffene Eltern und Kinder
Der Studie zufolge ist Geld alleine für Kinder häufig gar nicht so wichtig. Solange sie in einem intakten Umfeld leben, fühlen sie sich wohl und vermissen wenig. Doch materielle Armut ist meist folgenreich: Finanzielle Sorgen belasten die Eltern, setzen sie unter Druck, schaffen Konflikte in der Beziehung, so die Forschungsergebnisse – und derart belastete Eltern sind selten gute Eltern. „Wenn Eltern ihren Alltag als überfordernd erleben, können sie ihre Kinder meist nicht mehr angemessen erziehen und unterstützen“, erklärt Psychologin Langmeyer. Alleinerziehende, aber auch getrennte Elternteile in neuen Beziehungen seien davon besonders häufig betroffen. „Die aktuelle Corona-Krise dürfte diese negativen Folgen von Armut noch verstärken, nicht nur, weil Existenzängste zunehmen, sondern auch, weil Ausgangsbeschränkungen und Schulschließungen besonders für arme Familien zur Belastungsprobe werden“, warnt sie.
Vor dem Hintergrund ihrer Studienergebnisse fordern die beiden Wissenschaftlerinnen unter anderem gezielte Unterstützung für betroffene Eineltern- und Stieffamilien, bei der die persönlichen Ressourcen der Eltern und der Kinder für die Bewältigung der familiären Belastungen gefördert werden. „Solche Unterstützungsangebote können nicht nur Leid von den betroffenen Kindern abwenden, sondern auch psychosoziale Folgekosten vermindern“, betont Heintz-Martin.
Ausführliche Pressemitteilung[1]Bericht der Süddeutschen Zeitung (Politikteil, S. 6)[2]Interview mit Valerie Heintz-Martin auf WDR 5 (Morgenecho)[3]Bericht im Weser Kurier zur Erweiterung der Kita-Notbetreuung in Bremen[4]Artikel „Economic Situation, Financial Strain and Child Wellbeing in Stepfamilies and Single-Parent Families in Germany“ im Journal of Family and Economic Issues[5]DJI-Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“, kurz: AID:A[6]Nationales Zentrum Frühe Hilfen, Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kooperation mit dem DJI[7]Mehr zum Thema Familie[8]Mehr zum Thema Kinderschutz[9]
Kontakt
Aufgrund der Coronavirus-Pandemie bitten wir Sie im Falle von Anfragen um Kontaktaufnahme per E-Mail. Wir melden uns dann gerne per Telefon bei Ihnen.
Dr. Valerie Heintz-Martin
Abteilung Familie und Familienpolitik
heintz-martin@dji.de
Dr. Alexandra Langmeyer
Abteilung Kinder und Kinderbetreuung
langmeyer@dji.de
Birgit Taffertshofer
Abteilung Medien und Kommunikation
taffertshofer@dji.de