Kinderschutz mit blinden Flecken
Gewalt gegenüber Kindern lässt sich erst besser bekämpfen, wenn grundlegende Fragen empirisch geklärt werden, schreiben Susanne Witte, Regine Derr und Heinz Kindler in DJI Impulse

Immer noch werden viele Kinder in ihren Familien oder von Personen, zu denen sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, missbraucht, misshandelt oder vernachlässigt. Das Ausmaß lässt sich jedoch nicht konkret in Zahlen ausdrücken. Einerseits können Daten verschiedener Institutionen wie von Jugendämtern und Krankenhäusern nicht verglichen und zusammengeführt werden. Andererseits fehlt Forschung zum Dunkelfeld, sprich zu den tatsächlich geschehenen, aber nicht bekannt gewordenen Fällen. Dies behindere aktuell eine wirkungsorientierte Kinderschutzpolitik, schreiben Prof. Dr. Heinz Kindler, Dr. Susanne Witte und Dr. Regine Derr vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse.
Gesundheits- und Bildungssystem sowie Kinder- und Jugendhilfe müssen im Kinderschutz kooperieren
Das Leitungsteam der Fachgruppe „Familienhilfe und Kinderschutz“ differenziert in seinem Artikel unterschiedliche Formen der Kindeswohlgefährdung und betont die große Herausforderung für Erzieher:innen, Lehrer:innen sowie für Fachkräfte in Jugendämtern und an Familiengerichten, eine solche zu erkennen. Zur Unterstützung der Praxis haben DJI-Forschende Materialien für mehr Handlungssicherheit entwickelt. Von großer Bedeutung sei vor allem die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure aus dem Gesundheits- und Bildungssystem sowie der Kinder- und Jugendhilfe.
Das Risiko, dass Kinder mehrfach Opfer von Gewalt werden, ist groß
Auch die Entscheidung für eine Maßnahme, die Betroffene am besten schützt und unterstützt, sei nicht leicht: Forschungsergebnisse zeigen zwar, dass innerhalb von zwei Jahren dem Jugendamt bei einem Drittel der Kinder erneut die Vermutung einer Gefährdung mitgeteilt wurde. Doch ein Entzug elterlicher Sorgerechte sei gesetzlich nur möglich und sinnvoll, wenn Maßnahmen zur Unterstützung der in der Regel belasteten Eltern und freiwillige Schutzmaßnahmen für die Kinder nicht greifen. Zudem bergen auch sogenannte familienersetzende Maßnahmen Risiken. Ergebnissen eines Projekts des DJI und des Sozialwis-
senschaftlichen Frauenforschungsinstituts Freiburg (SoFFI F.) nach ist das Risiko für Mädchen und junge Frauen, die bereits sexuelle Übergriffe in der Familie erfahren haben, besonders hoch, solche erneut zu erleben - selbst wenn sie in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht sind. Umso wichtiger sind wirksame Schutzkonzepte in Institutionen, schreiben die DJI-Wissenschaftler:innen und verweisen auch hier auf weiteren Forschungsbedarf, damit künftig Präventionsmaßnahmen besser am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet und passgenau eingesetzt werden können.
Online-Version des DJI-Impulse Artikels „Kinderschutz mit blinden Flecken“[1]Ausgabe 2/23 des Forschungsmagazins DJI Impulse (PDF)[2]Mehr Online-Angebote zum Thema Kinderschutz[3]
Kontakt
Dr. Susanne Witte
Leitung der Fachgruppe „Familienhilfe und Kinderschutz“
089/62306-221
witte@dji.de
Uta Hofele
Abteilung Medien und Kommunikation
089/62306-446
hofele@dji.de