Forschungsstand zur Ausgestaltung der Pflegekinderhilfe

In einer systematischen Literaturrecherche wurde die für die Unterstützung der Pflegekinderhilfe verfügbare internationale empirische Forschungsbasis aus dem Zeitraum von 1967 bis heute erschlossen. Es wurden mehr als 1800 Literaturstellen gefunden und gesichtet. Für die Praxis der Pflegekinderhilfe bedeutsame Schwerpunkte der Literatur betreffen etwa Entwicklungsverläufe und Beeinträchtigungen bei Pflegekindern, Fördermaßnahmen und Hilfen zur Erziehung bei betroffenen Pflegekindern, Sonderformen der Pflege (z.B. Verwandtenpflege), Rückführung und Umgang. Diese Literaturbasis wird nun für die geplante Erstellung eines Handbuches in der Hauptphase des Projekts nutzbar gemacht.

Eine ergänzende systematische Recherche in der deutschsprachigen Literatur belegt hier erhebliche Forschungslücken. Es dominieren Forschungsübersichten, die sich aber nicht auf systematische Literaturrecherchen stützen und daher in ihrem wissenschaftlichen Wert als eingeschränkt angesehen werden müssen. Durch die selektive Literaturauswahl können ungewollt Verzerrungen der tatsächlichen Befundlage transportiert werden. Erste Ergebnisse aus der internationalen Literaturrecherche wurden in zwei Publikationen für die Fachdiskussion in Deutschland zugänglich gemacht.<footnote>Kindler, Umgangskontakte bei Kindern, die nach einer Kindeswohlgefährdung in einer Pflegefamilie untergebracht werden. JAmt 2005, 541-546; Kindler/Lillig/Küfner, Rückführung von Pflegekindern nach Misshandlung bzw. Vernachlässigung in der Vorgeschichte: Forschungsübersicht zu Entscheidungskritierien. JAmt 2006, 9-17.</footnote> In einer zusätzlichen Recherche wurden epidemiologisch orientierte Forschungen zur Verbreitung gesundheitlicher, psychischer und schulischer Beeinträchtigungen unter Pflegekindern in verschiedenen Ländern gesammelt, ausgewertet und zu deutschen Befunden, die im Rahmen des Projektes erhoben wurden (vgl. Punkt 4.3.4), in Beziehung gesetzt.

Die im Rahmen dieses Projektes erhobenen Zahlen zu Verhaltensauffälligkeiten bei Pflegekindern in Deutschland zeigen eine im unteren Drittel der internationalen Befunde liegende Rate an behandlungsbedürftig erscheinenden Auffälligkeiten. Dies ist zunächst ein positives Ergebnis und spricht für die Qualität der Pflegekinderhilfe und Jugendhilfe in Deutschland.
Es stellen sich aber weitergehende Fragen, die in der Hauptphase aufgegriffen werden sollen. Diese Fragen betreffen eine genauere Analyse von Ursachen und Formen der Belastung bei Pflegekindern sowie die Auswahl möglichst wirksamer Unterstützungsangebote für betroffene Kinder.

Weiterhin wird in der internationalen, zumeist angloamerikanischen Literatur überwiegend die Haltung vertreten, dass sich die Raten erheblicher Verhaltensauffälligkeiten bei Pflegekindern in den vergangenen Jahren sukzessive erhöht hätten. Einen ähnlichen Eindruck berichten Fachkräfte aus der Bundesrepublik (vgl. Punkte 4.3.1. und 4.3.2). Hier wird eine strategische Herausforderung für die Pflegekinderhilfe sichtbar: Sie muss sich für den Umgang mit einer wachsenden Anzahl schwer oder mehrfach belasteter Kinder qualifizieren und kann hierbei durch eine Aufarbeitung internationaler Erfahrungen und deutsche Vertiefungsstudien unterstützt werden.

Kontakt

+49 89 62306-245
Deutsches Jugendinstitut
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