Netzwerk Prävention von Schulmüdigkeit und Schulverweigerung
Bericht aus der Werkstatt II
Produktionsorientiertes Lernen in der Berufsvorbereitung; (Birgit Reißig, Ulrike Richter)
Die Werkstatt II präsentierte Ansätze einer betriebsförmig organisierten Berufsvorbereitung, in denen drei Anforderungen miteinander verknüpft werden: Das Produzieren für reale Märkte, das Nachholen von Schulabschlüssen und die Berufsorientierung und Vorbereitung auf eine anschließende Berufsausbildung.
70 Fachkräfte aus Berufsschulen, Ämtern und Bildungseinrichtungen nahmen daran teil. Frau Yvonne Mascioni vom Institut für berufliche Bildung und Weiterbildung e.V. aus Göttingen moderierte diese Werkstatt.
Foto Matthias Möller/Medial Mirage
Zwei Produktionsschulen von berufsbildenden Schulen stellten sich vor:
- Produktionsschule des Berufsbildungszentrums Lebach, Herr Klaus Graus und Herr Werner Veith
- Produktionsschule Neumühle vom Verbund der Gewerblichen Schulen des Lahn-Dill-Kreises in Dillenburg mit der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiativen mbH (GWAB), Herr Rudi Schneider
Den Präsentationen lagen folgende Leitfragen zugrunde, die dazu dienten, den Tagungsgästen einen Einblick in die Aktivitäten der Produktionsschulen zu vermitteln.
1. Eckdaten zum Konzept
- Ausgangslage: Wie kam es zur Gründung der Produktionsschule?
- Träger: Wer ist der Träger der PS und wie ist die Finanzierung?
- Ziele: Was wollen Sie mit Ihrem Konzept erreichen?
- Angebot: Was wird produziert, welche Dienstleistung bieten Sie an, für welche Kunden?
- Zielgruppe: Welche Jugendliche erreichen Sie mit Ihrem Ansatz?
- Zugang: Wie kommen die Jugendlichen zu Ihnen? (Bewerbung, Freiwilligkeit, Pflicht)
- Verweildauer: Wie lange verbleiben die Jugendlichen in der PS?
2. Umsetzung
- Wie gelingt die Verbindung von Berufsvorbereitung, ggf. Nachholen schulischer Abschlüsse, Produktion für den Markt, persönliche und soziale Unterstützung der Jugendlichen?
- Wie erfolgt die Kooperation zwischen den unterschiedlichen Fachkräften innerhalb der Schule? Mit welchen externen Partnern kooperieren Sie?
- Wohin gehen die Jugendlichen nach der Berufsvorbereitung? Bieten Sie selbst Unterstützung beim Übergang an?
- Mit welchen Schwierigkeiten mussten Sie umgehen und wie haben sie diese gelöst?
Präsentation Produktionsschule BBZ Lebach, Klaus Graus, Werner Veith
Die praxisorientierte Berufsvorbereitung (BVJ) und die Vorbereitung auf die externe Hauptschulabschlussprüfung in der Produktionsschule am Berufsbildungszentrum Lebach richtet sich an Absolventinnen/Absolventen der Schule für Lernbehinderte und an Jugendliche, die nach Vollendung der Vollzeitschulpflicht keinen Hauptschulabschluss erreicht haben. 24 Jugendliche lernen gegenwärtig in der Produktionsschule. Bei diesen Jugendlichen bestehen insbesondere Defizite in den notwendigen Kulturtechniken, im Sozialverhalten und in der persönlichen Lebensbewältigung. Nach Abschluss des BVJ sollen die Teilnehmer/innen in der Lage sein, eine Ausbildung zu absolvieren oder eine Beschäftigung aufzunehmen. Die Produktionsschule ist als Schulversuch angelegt, der aus Bundes- und ESF-Mitteln finanziert wird.
Foto Matthias Möller/Medial Mirage
Die Produktionsschulidee steht für die Verbindung von der Arbeits- und Lebenswelt, von Theorie und Praxis sowie von Arbeit und Bildung. Diese Verbindungen werden geschaffen durch sinnreicher Arbeitsprozesse unter Berücksichtigung ihrer theoretischen Grundlagen und unter Einbeziehung von Elementen der realen Lebenswelt. Damit wird ein Zusammenhang von planender und ausführender Arbeit, von fachpraktischem und fachtheoretischem Lernen sowie von allgemeinem und beruflichem Lernen angestrebt.
Durch die Einbindung der Erfahrungswelt der Jugendlichen in den Lernprozess sollen die Schüler/innen für das Lernen wieder aufgeschlossen werden. Über Erfolgserlebnisse im praktischen Arbeiten sollen die Jugendlichen neues Zutrauen zu sich und damit auch neue Motivation für zielgerichtes Lernen gewinnen. Durch wiederholtes Anwenden beruflicher Grundfertigkeiten an gleichen oder ähnlichen Projekten erlangen die Schüler/innen Routine in der Ausübung und damit Zutrauen in ihre Fähigkeiten.
Das Produktionskonzept sieht vor, betriebliche Arbeitsformen in die schulischen Werkstätten und Küchen des Berufsbildungszentrums zu integrieren. Berufsfeldbezogene fachpraktische und fachtheoretische Grundkenntnisse gewinnen die Jugendlichen in den zwei Produktionsbereichen Technik und Service/Nahrungszubereitung. Im Zentrum des Lernens in der Produktionsschule steht ein an betrieblichen Erfordernissen orientierter Arbeitsprozess. Die theoretischen Inhalte orientieren sich an den Handlungs- und Arbeitsabläufen der fachpraktischen Tätigkeit. Um Realitätsnähe zu erreichen, wurden Produkte entwickelt, die auch für die Schülerin/den Schüler einen erkennbaren Wert (Verkaufserlös) darstellen. Im Technikbereich wurden z. B. Schmuckkästchen, CD-Ständer aus Holz und Metall, Wandregale, Moderatorenkoffer hergestellt. Im Servicebereich wird u. A. Mittagessen gekocht, Kuchen für den Verkauf gebacken, Marmeladen hergestellt, Grußkarten zu Weihnachten und Ostern gebastelt, ein Kochbuch zusammengestellt und Tischschmuck angefertigt.
Des Weiteren bereitet der gezielte Förderunterricht auf die externe Hauptschulabschlussprüfung vor. Zusätzlich umfasst das Angebot der PS eine sozialpädagogische Betreuung (Einzelfallhilfe, Bewerbungshilfe, Elternarbeit, Freizeitpädagogik).
Präsentation - Produktionsschule am BBZ Lebach
Kurzbeschreibung - Produktionsschule am BBZ Lebach
Kontakt
BBZ Lebach – Produktionsschule
Herr Karl Graus
Friedensstraße 4
66822 Lebach
Tel. 06881 2610
Fax: 06881 52602
E-Mail:buero@bbzlebach.de
http://www.bbzlebach.de
Präsentation Produktionsschule Neumühle, Rudi Schneider
Die PS Neumühle wurde 1992 als ein Qualifizierungsprojekt für Jugendliche mit schlechten Startchancen gegründet. Die Produktionsschule Neumühle wird getragen durch einen Verbund der Gewerblichen Schulen des Lahn-Dill-Kreises in Dillenburg mit der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung, Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiativen mbH (GWAB). Seit 2006 wird die PS über die Programme Qualifizierung und Betreuung (Q&B) und EIBE (Programm zur Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt) durch das Land Hessen und den Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Die PS befindet sich in landwirtschaftlichen Gebäuden, die seit 1992 von den ersten Produktionsschülerinnen und -schülern umgebaut worden sind.
Die PS arbeitet mit zwei BVJ- bzw. EIBE-Klassen, einer Q&B-Gruppe (ca. 40 Jugendliche jährlich) in den Arbeitsbereichen Bau - Holztechnik, Metalltechnik, Garten – Landschaftsbau sowie EDV.
Das theoretische Lernen speist sich aus den Vorüberlegungen zur praktischen Umsetzung. Alle Vorbereitungsschritte werden kalkuliert und theoretisch vorbereitet. Auftraggeber sind vorwiegend öffentliche Träger. Um Konkurrenz mit privatwirtschaftlichen Betrieben zu vermeiden ist es ratsam, dass sich die PS vorab mit Kammern und Innungen über Produkte und Preise abzstimmt.
In der Projektarbeit sind beispielsweise ein Pavillon, ein Gewächshaus und Regale für die Grundschule Wetter entstanden. Die Jugendlichen führen u. A. folgende Arbeiten aus:
- Fenster- und Türenbau
- Fließenlegearbeiten
- Deckenverkleidung
- Anstreichen, Tapezieren
- Sanitärinstallation
- Beleuchtung
- Werkstatteinrichtung
- Fassadenverkleidung
Die Jugendlichen müssen mindestens neun Schulbesuchsjahre (verlängerte Vollzeitschulpflicht) vorweisen, um in die BVJ bzw. EIBE-Klassen aufgenommen werden zu können. Für die Q&B-Gruppe müssen die Jugendlichen mindestens zehn Schulbesuchsjahre (Beendigung der verlängerten Vollzeitschulpflicht) vorweisen können, wobei auch ein Quereinstieg und -ausstieg möglich ist. Die Produktionsschüler/innen sind schulpflichtig und besuchen an einem Tag der Woche die Berufsschule.
Foto Matthias Möller/Medial Mirage
In der PS können die Jugendlichen den Hauptschulabschluss nachholen, Arbeitstugenden einüben uns sich fachlich qualifizieren. Für den Hauptschulabschluss wird seit 2006 eine Prüfung verlangt. Die Prüfungsfragen werden zuvor von der Schule beim Schulamt eingereicht. Dieses neue Verfahren stellt das Produktionsschulkonzept vor neue Schwierigkeiten, weil nun mehr theoretisches Wissen abgefordert wird. Diese Prüfungsnote fließt jedoch nur zu einem Drittel in die Gesamtnote ein. Diese Ziele werden über das gemeinsame Produzieren marktfähiger Produkte zu erreichen versucht. Projekte wie Teamtraining, Bewerbungstraining, Praktika und Angebote der Freizeitpädagogik unterstützen die Jugendlichen bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung und der beruflichen Integration. Die Jugendlichen werden im Anschluss in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis oder in eine weiterführende Maßnahme vermittelt. Die Jugendlichen verlassen die PS mit realistischen Berufsvorstellungen.
Präsentation - Produktionsschule Neumühle
Kontakt
Produktionsschule Neumühle
35767 Breitscheid-Erdbach
Tel. 02777-1408
Fax 02777-1564
Herr Rudi Schneider
E-Mail: rumo-schneider@t-online.de
rumo-schneider@t-online.de
Zusammenfassung Diskussion
Foto Matthias Möller/Medial Mirage
Fragestellungen
1. Mit welchen Produkten und Herstellungsprozessen werden gute Lernerfolge erzielt?
- Zu Beginn ihrer Teilnahme sollten die Aufgaben für die Jugendlichen nicht mehr als 1–2 Tage für die Bearbeitung beanspruchen. Die Arbeit sollte nach dieser Zeit zu einem sichtbaren Erfolg führen. Generell sollte es sich um Produkte mit einem überschaubaren Zeitrahmen für die Herstellung (max. 1 Woche)und einem übersichtlichen Produktionsprozess handeln.
- Die Arbeitsabläufe sollten so gestaltet sein, dass die Schüler/innen jederzeit aus- und wieder einsteigen können.
- Das Produkt soll professionell aussehen, wie vom Fachmann hergestellt. Dies bedeutet auch dass professionelle Maschinen zum Einsatz kommen müssen.
- Die Produkte sind letztlich austauschpar, wichtig ist die betriebsförmige Umgebung. Das Ambiente spielt eine wichtige Rolle, deshalb raus aus der Schule, der (Lern)Ort muss aussehen wie eine kleine Firma.
2. Was bringt es den Jugendlichen, in einer Produktionsschule zu lernen?
- Jugendliche entwickeln ihre Persönlichkeit und ihre sozialen Kompetenzen .
- Sie erhalten Kontakte zu Betrieben, mit denen die PS kooperiert.
- Sie qualifizieren sich, können etwas vorweisen und haben bei Bewerbungen reale Chancen.
- Die Vorteile vom System Schule und dem System Betrieb werden verbunden.
- Die Fachtheorie wird mit der Praxis verknüpft.
3. Was benötigen die Fachkräfte für die Arbeit in der produktionsorientierten Berufsvorbereitung?
- Vertrauensvolle Kooperation mit allen Partnern auf gleicher Augenhöhe
- Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen/-pädagogen müssen teamfähig sein.
- Sie benötigen regelmäßige, evtl. jährliche, Erneuerung und Stärkung der Fachlichkeit durch Weiterbildung.
- Wichtig ist die kollegiale Beratung oder begleitende Supervision für die Mitarbeiter/innen.
- Sie sollten stärker zielorientiert und strukturiert arbeiten, klare überprüfbare Ablaufpläne
- Zeitdruck, mangelnde Kommunikation und ein Team ohne Leitung die Arbeit behindern die Arbeit erheblich.
Als Erfolgskomponenten auf der Ebene der Fachkräfte gelten u. A: gemeinsame Ziele, eine hohe Motivation der Mitarbeiter/innen sowie eine vertrauensvolle, langfristige
Weiterführende Links zum Thema
Berufsbildenden Schulen des Landkreises Osterholz-Scharmbeck, Produktionsschule
http://www.bbs-ohz.de/Abteilung-5-Produktionsschule.99.0.html
Städtische Berufsschule zur Berufsvorbereitung in München
http://www.boki.musin.de/produktion.htm
Handreichung für BVJ-Schulen, Baden-Württemberg
www.marburger-produktionsschule.de