Multilokalität von Familie (Schumpeter-Forschungsgruppe)
Die Gestaltung von Familienleben bei räumlicher Trennung
Ergebnisse
Das Projekt hat explorativen Charakter: In einem ersten Projektbaustein werden zwei vertiefende ethnographische Teilstudien, eine zur trennungsbedingten Multilokalität (Erhebung: 5/2010-2/2011) und eine zur beruflichen Multilokalität (Erhebung: 5/2012-2/2013) durchgeführt. Diese nehmen Multilokalität als konstituierendes Element familialer Lebensführung in den Blick. Damit wird einerseits das räumliche Handeln innerhalb von Familien ins Zentrum des Interesses gerückt sowie andererseits die raumstrukturelle Relevanz einer neuen Familienform untersucht. Mit den qualitativen Teilstudien werden Erkenntnisse in folgenden Bereichen angestrebt:- trennungs/berufsbedingte Mobilität und translokale Alltagspraxis von Trennungsfamilien/berufsmobilen Familien
- Systematisierung relevanter räumlicher Dimensionen für die multilokale familiale Lebensführung
- Kriterien und Rahmenbedingungen, die für ein „Funktionieren“ multilokaler Familienarrangements von Bedeutung sind
- Überblick über Unterschiede und Ähnlichkeiten der Anforderungen und Probleme der Gestaltung von Familie bei unterschiedlich induzierter Multilokalität
- Abschätzung des Nutzens von Kommunikations- und Informationstechnologien zur Aufrechterhaltung von Familie über Entfernung
Mit Abschluß der ersten ethnographischen Teilstudie zur trennungsbedingten Multilokalität wurden bereits erste Erkenntnisse zu spezifischen Anforderungen sowie unterschiedlichen familialen Praktiken eines mehr-örtigen Familienlebens nach Trennung und Scheidung gewonnen (siehe Schier/Proske 2010, DJI-Online-Thema 2011/2012, Nimmo/Schier 2013 (im Erscheinen), Bathmann/Proske/Schier 2013 (im Erscheinen), Schier 2013 a,b (im Erscheinen)).
Den besonderen Herausforderungen, die eine arbeitsbedingte mehr-örtige Lebensführung von Eltern für das Familienleben mit sich bringt, wird derzeit anknüpfend an erste Ergebnisse aus der Studie „Entgrenzte Arbeit – entgrenzte Familie“ (siehe Schier et al. 2007, Jurczyk/Schier et al. 2009, Schier 2009a, Schier 2009b, Schier 2010a, Schier 2010b) in der zweiten ethnographischen Teilstudie nachgegangen.
Durch den Einbezug der Perspektiven von Erwachsenen und Kindern eröffnen die vertiefenden qualitativen Teilstudien auf innovative Weise Einsichten in die raumübergreifende Lebenspraxis von Familien. Das Vorhaben erschließt damit empirisch und theoretisch wissenschaftliches Neuland. Die Fundierung und Erweiterung des Konzepts der Herstellung von Familie bringt zudem einen konzeptionellen Mehrwert für die Erforschung des Alltags von Familien (Schier/Jurczyk 2007, Schier 2011a).
Im methodischen Bereich wurden Erkenntnisse über die Anwendbarkeit von multimethodischen und multiperspektivischen Herangehensweisen zur Untersuchung des Phänomens Multilokalität von Familie gewonnen (z.B. Schier 2011b).
Gleichzeitig werden in einem zweiten Projektbaustein erstmalig sekundäranalytische Auswertungen von Datensätzen zur Frage der Multilokalität in frühen Familienphasen vorgenommen, in denen Eltern die Verantwortung für ihre minderjährigen Kinder tragen. Die quantitativen Teilstudien bieten Einsichten in
- die Verbreitung von erstens multilokalen Nachtrennungsfamilien sowie zweitens Familien mit vorwiegend arbeitsbedingt mehr-örtig lebenden Eltern,
- die Entfernung zwischen den Familienhaushalten bzw. zwischen Familien- und Arbeitswohnort(en),
- die Häufigkeit und die Art der Kontakte zwischen den getrennt lebenden Familienmitgliedern sowie
- zu den Raum-Zeit-Mustern dieser Familienarrangements.
Erste Ergebnisse der sekundäranalytischen Auswertungen zur Multilokalität von Familien nach Trennung und Scheidung finden sich hier sowie in Schier (2013a, b im Erscheinen), Hubert/Schier 2012 (in Vorbereitung).
Das Vorhaben stellt schließlich für unterschiedliche Bereiche gestaltungsrelevantes Wissen bereit: So erhalten z.B. Verantwortliche in Unternehmen, Stadtplanung, Verkehrsplanung und Wohnungsbau wichtige Einblicke in aktuelle Bedingungen des Wohnens und der Mobilität von Familien (z.B. Schier 2009a, Schier 2010b). Bezüglich der spezifischen Unterstützungs- und Beratungsbedarfe von räumlich getrennt lebenden Familien, der Ausgestaltung von Nachscheidungsverhältnissen sowie für die Gestaltung sozialer Infrastrukturen haben sich außerdem praxisrelevante Hinweise ergeben.