Vier Fragen an das Projekt SET
Mit dem Stichwort „einrichtungsbezogene Segregation“ lässt sich die ungleiche Verteilung von Kindern auf Kitas beschreiben. Das Projekt „Segregation und Trägerschaft. Eine quantitativ-qualitative Studie zur Untersuchung von sozialer und ethnischer Entmischung in Kitas" (SET)“ untersucht in zwei Teilprojekten das Ausmaß sozialer und ethnischer Segregationstendenzen in der Kindertagesbetreuung. Es wird danach gefragt, ob sich dies mit der Trägerpluralität in Verbindung bringen lässt. An der HAW Hamburg analysiert das Teilprojekt „Segregationsmuster in Deutschland“ (SET:ID) durch quantitative Sekundäranalysen nationaler Bildungsstudien das Ausmaß an Segregation unter Berücksichtigung der Trägerschaft der Kitas. Daran anschließend werden an der MLU Halle-Wittenberg „Trägerspezifische Organisationskulturen und Handlungspraktiken“ (SET:OHA) auf Träger- und Einrichtungsebene in problemzentrierten Interviews in den Blick genommen, die auf ungleichheitsrelevante Aspekte in der Platzvergabe verweisen.
Um einen Einblick in die Arbeit des Projektes zu bekommen, haben wir vier Fragen an die beiden Projektteams – bestehend aus den Wissenschaftler*innen Nina Hogrebe und Stefan Schulder am Standort Hamburg (SET:ID) sowie Johanna Mierendorff und Gesine Nebe am Standort Halle (SET:OHA) – gestellt.
Was ist das Ziel Ihrer Forschung?
Die bisherige Forschung lässt bislang wenig Rückschlüsse darauf zu, welche Rolle Träger dabei spielen, wie sich Kinder auf einzelne Einrichtungen verteilen. Durch die Verbindung von quantitativen und qualitativen Forschungsansätzen untersuchen wir, ob Unterschiede in den Platzvergabeprozessen bestehen. Steht die Zusammensetzung von Kitas in Zusammenhang mit der Trägerschaft? Es ist unser Anliegen, auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse ein Bewusstsein für ungleichheitsrelevante Aspekte beim Kita-Besuch herzustellen. Zugleich wollen wir Trägerlandschaften und administrative Strukturen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene beschreiben, die zum Gelingen eines sozial und ethnisch inklusiven Systems frühkindlicher Bildung beitragen können.
Was macht für Sie eine gute Kita aus?
Für das Projekt SET stellt sich die Frage nicht in dieser Form. Die hier zu stellenden Fragen sind aus Sicht unserer Forschung, wie kommunale Kitalandschaften so gesteuert werden können, dass Segregation vermieden und Teilhabe ermöglicht wird (z.B. transparente Vergabekriterien, segregationssensible Platzvergabeverfahren). An welchen Stellen können Exklusionsprozesse entstehen, die wir uns als Gesellschaft nicht leisten können? Die Frage nach einer „guten Kita“ stellt sich daher aus unserer Sicht nicht mit Blick auf einzelne Einrichtungen, sondern vielmehr auf ein Kindertagesbetreuungssystem, das in seiner lokalen, regionalen und bundeslandspezifischen Einbettung heraus verstanden und gesteuert werden muss.
Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Baustellen für eine Verbesserung der Qualität in Kitas?
Anschlussfähig für unser Projekt sind vor allem Erkenntnisse und Annahmen über die Strukturqualität in der Kindertagesbetreuung. Diese definieren Ressourcen und Arbeitsbedingungen, d.h. strukturelle Rahmenbedingungen und Kontextmerkmale, die die pädagogische Arbeit in einer Einrichtung bedingen. Hierzu werden im Allgemeinen die Fachkraft-Kind-Relation, die Ausbildung des Personals und die Gruppengröße fokussiert. Wenig in den Blick genommen werden bislang Charakteristika der Eltern in Bezug auf ihre soziale oder ethnische Herkunft. Angenommen und gut belegt ist, dass eine heterogene Zusammensetzung der Gruppen in Bezug auf die Bildungschancen der Kinder von Vorteil ist. Aus unserer Sicht ist es notwendig, mehr Erkenntnisse dahingehend zu generieren, wie viele Kitas ein solches entwicklungsförderliches Umfeld bieten. Wie kommen entsprechende Gruppenkompositionen zustande? Wir gehen davon aus, dass die administrative Steuerung (sowohl auf Ebene der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe als auch auf Ebene freier Träger und ihrer Einrichtungen) das Potenzial besitzt, auf die Herstellung durchmischter Kitas hinzuwirken.
Wie können Kitas von Ihren Ergebnissen profitieren?
Das Projekt SET bietet sowohl den örtlichen Trägern der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe, den Trägern von Kindertageseinrichtungen und den Einrichtungen interessante Ergebnisse. So sind wir bereits in Beratungsprozesse eingebunden. Akteure in der Bildungspolitik erhalten eine Grundlage für mögliche politische Maßnahmen zur Gegensteuerung hinsichtlich zu beobachtender Segregationsprozesse und sozial-selektiver Zugangsbedingungen in der Kindertagesbetreuung. Verantwortliche der kommunalen Steuerung und Planung können örtliche Rahmenbedingungen und Vorgaben bei der Platzvergabe überprüfen. Fachberatung sowie Personen in der Fort- und Weiterbildung können das Wissen in der Ausbildung von Leitungskräften nutzen. Siekönnen diese für ungleichheitsrelevante Aspekte sensibilisieren. Kita-Leitungen und Geschäftsführungen der Träger erhalten eine Reflexionsgrundlage für die Auswahl der Kinder.
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