Vier Fragen an das Projekt RaumQualitäten
Das BMBF-Projekt „RaumQualitäten – Eine Topographie des pädagogischen Raumes in Kindertageseinrichtungen“ unter der Leitung von Prof. Dr. Claus Stieve, Technische Hochschule Köln, und Prof. Dr. Ursula Stenger, Universität zu Köln, möchte die Qualitäten des anregenden Raumes genau bestimmen. Mit dem Funktionswandel von Kitas zu expliziten Bildungseinrichtungen haben auch deren Räume eine konzeptionell weitreichende Transformation erfahren. Anregende Lernumgebungen gelten als notwendige Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Bildung und Betreuung. Da es bislang wenig Erkenntnisse dazu gibt, wie Kinder frühpädagogische Räume erfahren, wird sich in dem Projekt dem Raumerleben von Kindern mit phänomenologischen Methoden genähert. Drei Kitas, die sich durch bewusst und differenziert gestaltete Räume hervorheben, werden mit den Perspektiven auf gestaltete, intendierte und gelebte Räume erforscht. Daran schließt eine vierte Perspektive an, die Bildungsmomente von Kindern in den Blick nimmt. Im Mittelpunkt steht eine dichte Beschreibung anregender Qualitäten von Räumen.
Um einen Einblick in die Arbeit des Projektes zu bekommen, haben wir vier Fragen an das Projektteam – bestehend aus den Wissenschaftler*innen Prof. Dr. Claus Stieve, Prof. Dr. Ursula Stenger, Antonina Poliakova und Michèle Zirves – gestellt.
Was ist das Ziel Ihrer Forschung?
Dass Räume Aufforderungscharakter haben sollen, ist eine häufig benutzte Wendung in der Frühpädagogik. Wie aber zeigen sich Räume als anregend und auffordernd für das Spiel, das Erleben, das Lernen oder die Bildung von Kindern? Das Ziel des Verbundprojekts ist eine genaue Bestimmung dessen, was anregende Räume, drinnen wie draußen, in Kitas ausmacht. Mit Methoden der ethnographischen Feldforschung und phänomenologischen Analyse wird gefragt: Wie werden gewünschte Anregungsgehalte von Räumen eigentlich wirksam? Was tun Kinder in pädagogischen Räumen mit Anregungspotentialen von Räumen und Dingen? Zu welchem konkreten Handeln regen Räume und Dinge sie an und welche bildenden Erfahrungen machen sie dabei?
Was macht für Sie eine gute Kita aus?
Mit dem Wandel von Kitas zu institutionellen Bildungseinrichtungen erhielten auch Räume neue Relevanz und wurden zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Debatte um Bildungsqualität. Dabei wurde bislang wenig thematisiert, wie sich Kinder Räume aneignen, wie sie Räume wahrnehmen, erkunden oder selbst schaffen. Im Projekt „RaumQualitäten“ geht es nicht zuerst darum, zu sagen, was eine gute oder schlechte Kita ausmacht, sondern zu beschreiben, wo überhaupt Kinder angeregt und aufgefordert werden. Denn die Bedeutung pädagogischer Räume erschöpft sich nicht darin, was mit ihnen beabsichtigt ist. Dennoch könnte eine gute Kita ausmachen, dass die Erfahrungsweisen der Kinder und die Absichten, was die Räume vermitteln sollen, tatsächlich miteinander korrespondieren und zueinanderfinden – kurz, dass Orte entstehen, an denen sich eine gemeinsame Erfahrung ereignet.
Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Baustellen für eine Verbesserung der Qualität in Kitas?
Im Forschungsprojekt „RaumQualitäten“ wird von einem relationalen Qualitätsverständnis ausgegangen und der Blick auf die soziale Hervorbringung pädagogischer Qualität gewendet. Es wird davon ausgegangen, dass sich Bildungsprozesse von Kindern in komplexen Dynamiken vollziehen, die keine einheitliche und normative Qualität repräsentieren. Durch die Fokussierung auf Prozesse, in denen gute Praxis entsteht, soll der Komplexität der Beziehungen von Menschen, Dingen und Räumen Rechnung getragen werden.
Wie können Kitas von Ihren Ergebnissen profitieren?
Im Kern möchten wir Erfahrungsprozesse veranschaulichen, die möglich machen, oft auch unscheinbare Details der eigenen Räume und ihrer Gestaltung und des Alltags in ihnen genauer zu verstehen. Welche Bedeutung haben z. B. nicht nur die expliziten Bildungsgegenstände für Kinder, wie die Materialien im Atelier einer Kita, sondern auch kleine Details, ein Fenster, ein Kletterbaum, der Zaun, der die Kita umgibt, die Entdeckung einer toten Maus im Garten etc. Um Erfahrungsprozesse zu skizzieren, möchten wir ein praxisnahes Buch mit einer Vielzahl anschaulicher Beispielmaterialien und Übersichten publizieren. Das Buch soll Praxisvertreter*innen ermöglichen, die eigene Praxis anhand der entwickelten Gesichtspunkte neu zu betrachten und zu reflektieren. Neben dieser Publikation kann auf Fachtagungen für die Wahrnehmung von Aufforderungscharakteren und die Aneignung pädagogischer Räume sensibilisiert werden. Damit hoffen wir, einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung zu leisten.
Nähere Informationen zum Projekt finden Sie hier:
Webseite des Projekts RaumQualitäten
Weitere Projektvorstellungen finden Sie hier: