Vier Fragen an das Projekt PARTNER

Die Zusammenarbeit mit Familien als Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zum Wohl der Kinder hat sich in vielen Ländern als programmatisches Qualitätsziel für Kindertageseinrichtungen etabliert. Angesichts der Heterogenität familialer Lebenswelten gilt sie als fachlicher Standard, der auch dazu beitragen soll, frühzeitig Bildungsungleichheiten entgegen zu wirken. Im Verbundprojekt „PARTNER“ (Leitung: Prof. Dr. Tanja Betz, Johannes Gutenberg-Universität Mainz / Prof. Dr. Sabine Bollig, Universität Trier) werden konkrete Praxen der Zusammenarbeit zwischen Eltern, Kindern und Fachkräften ethnographisch untersucht. Dabei wird in ungleichheits- und praxistheoretischer Perspektive gefragt, wie sich das Verhältnis von Kita und Familie im Alltag ausgestaltet, welche unterschiedlichen Vorstellungen von Familie dabei relevant gemacht werden und wie in der Zusammenarbeit soziale Ungleichheiten reproduziert werden. Ein besonderer Fokus liegt auf Kindern als Akteuren der Zusammenarbeit.

Um einen Einblick in die Arbeit des Projektes zu bekommen, haben wir vier Fragen an das Projektteam – bestehend aus den Wissenschaftlerinnen Tanja Betz, Nadine Kaak, Sabine Bollig, Anna-Lena Bindges und Nadja Schu – gestellt.

 

Was ist das Ziel Ihrer Forschung?

Vor dem Hintergrund programmatischer Forderungen, eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern aufzubauen, zielt das Projekt auf grundlegende Erkenntnisse dazu, welche Ambivalenzen und Normen in der konkreten alltäglichen Zusammenarbeit sichtbar werden. Wir interessieren uns für die Vielfältigkeit der Zusammenarbeit und die unterschiedlichen Perspektiven auf Zusammenarbeit zwischen Familie und Kita, die Hinweise für die Reproduktion sozialer Ungleichheit in Kitas geben. Zudem arbeiten wir die vielfältigen und mitunter widersprüchlichen Positionen von Kindern in der Zusammenarbeit heraus. Neben dem grundlagentheoretischen Gewinn der Forschung wird ein Beitrag zur Sensibilisierung der frühpädagogischen Praxis geleistet. Die Forschungsergebnisse werden hierzu in einem kontinuierlichen Forschungs-Praxis-Dialog anwendungsorientiert aufbereitet.

 

Was macht für Sie eine gute Kita aus?

Die Frage danach, was eine gute Kita ausmacht, wird im Projekt nicht fachlich-normativ beantwortet. Vielmehr gehen wir von einem Qualitätsverständnis aus, das multiperspektivisch und multifunktional ist. Das bedeutet, wir fragen nach den Vorstellungen der unterschiedlichen Akteur*innen in Kitas dazu, was eine ‚gute Kita‘ für sie ist und analysieren, wie diese Vorstellungen in der konkreten Alltagspraxis der Zusammenarbeit hergestellt und ausgehandelt werden. Forschungsleitend ist auch die Idee, dass in verschiedenen Praktiken der Zusammenarbeit unterschiedliche Funktionen der Kita relevant gemacht werden (Bildungsfunktion, Erziehungsfunktion, etc.).

 

Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Baustellen für eine Verbesserung der Qualität in Kitas?

Die Projektergebnisse weisen darauf hin, dass die ‚partnerschaftliche Zusammenarbeit‘ nur eine von mehreren möglichen Formen der Gestaltung des Verhältnisses zwischen Kita und Familie ist. Qualität lässt sich nicht verbessern, indem spezifisch ausgestaltete Partnerschaften verbindlich eingefordert werden. Vielmehr können wir zeigen, dass es lohnend ist, sich stärker mit dem Zusammenspiel von Organisationen, Praxen und Akteur*innen in sozialräumlichen Kontexten zu beschäftigen, um die Vielfalt an Möglichkeiten der Ausgestaltung von Zusammenarbeit zu erkennen. In der Zusammenarbeit mit heterogenen Familien bündeln sich die vielfältigen Funktionen der Kitas, von der arbeitsmarkt- und bildungspolitischen bis hin zur familienunterstützenden Funktion. Daher werden auch die Ambivalenzen des ‚Aufwachsens von Kindern in öffentlicher Verantwortung‘ offensichtlich. Diese gilt es in der Weiterentwicklung der Qualität von Kitas zu berücksichtigen.

 

Wie können Kitas von Ihren Ergebnissen profitieren?

Wir arbeiten eng mit unseren Kooperations-Kitas und weiteren Expert*innen des frühpädagogischen Feldes zusammen. Die dialogische Struktur der ethnographischen Feldforschung zielt darauf ab, dass bereits während der Forschung ein Gewinn für die teilnehmenden Kitas entsteht. Beispielsweise sind in regelmäßigen Feedback-Workshops Irritationen in einem positiven Sinne beobachtbar, die die Feldakteur*innen in Impulse für ihre eigene Praxis umsetzen. Zugleich werden anwendungsbezogene Materialien für Kitas erarbeitet. Es wird ein Kartenset „Kinder in Kita und Gesellschaft“ entwickelt, in dem grundlegende Ambivalenzen in Kitas, im Verhältnis Kita-Familie und in der gesellschaftlichen Positionierung von Kindern mit Konzepten und Material aus der Forschung aufbereitet werden. Es kann in der Aus- und Weiterbildung und im Selbststudium zur Reflexion der Positionen von Kindern eingesetzt werden. Ein weiteres Produkt gibt Kitas Anregungen für eine ungleichheitssensible Qualitätsentwicklung mit dem Fokus auf Zusammenarbeit.

 

Nähere Informationen zum Projekt finden Sie hier:

Webseite des Projektstandorts Johannes Gutenberg-Universität Mainz[1]Webseite des Projektstandorts Universität Trier[2]

 

Weitere Projektvorstellungen finden Sie hier:

Die Projekte stellen sich vor[3]