Kindliches Wohlbefinden in familiären Belastungslagen
Als primäre Sozialisationsinstanz hat die Familie einen zentralen Stellenwert für die Entwicklung und das Aufwachsen von Kindern. Diese elementare Funktion spricht den Eltern eine hohe Verantwortung für ein „gelingendes“ Aufwachsen von Kindern zu. „Elternschaft“ wird in diesem Zusammenhang als Verantwortlichkeit verstanden, die Einsatz, Ressourcen, Zeit und Wissen voraussetzt und bestimmten Erwartungen unterliegt. Nicht immer gelingt es, diesen Anforderungen und Erwartungen gerecht zu werden, was dazu führen kann, dass sich Eltern verunsichert und gestresst fühlen.
Das vorliegende Projekt untersucht daher aktuelle Belastungsaspekte in unterschiedlichen Entwicklungsphasen der Familie. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass die Stressquellen für Familien mit Kleinkindern, Schulkindern und Jugendlichen, vor dem Hintergrund sich verändernder Entwicklungsaufgaben und -anforderungen in der Familie, variieren.
Zentrale Fragestellung ist, wie diese Belastungsaspekte ausgewählte Facetten elterlichen Wohlbefindens (wie ein allgemeines subjektives Stressempfinden oder die allgemeine Lebenszufriedenheit) sowie das Erleben der spezifischen Belastung in der Elternrolle beeinflussen. Zugleich besteht ein Analyseschwerpunkt darin, Stressoren zu identifizieren, die eine gesonderte Relevanz für die jeweils verwendeten Dimensionen des elterlichen Wohlbefindens und der Belastung in der Elternrolle haben. Beispielsweise wird vermutet, dass kindliche Verhaltensprobleme besonders zu einer Belastung und zu Überforderungsgefühlen in der Elternrolle führen. Während ein allgemeines Stresslevel, als ein Aspekt des Wohlbefindens, durch erlebten Zeitdruck bedingt ist und weniger durch Merkmale des Kindes.
Theoretische Grundlage, zur Erklärung der Genese und der Wirkmechanismen von Stress im Familienkontext, bilden das transaktionale Verständnis von Stress nach Lazarus sowie Abidins Eltern-Belastungs-Modell, das auf dem ökologischen Prozessmodell nach Belsky beruht.
Aufbauend auf der Wohlbefindensforschung und Forschungsarbeiten zur elterlichen Belastung (‚parenting stress‘), werden Stressoren unterschiedlicher Lebensbereiche identifiziert, die einen Einfluss auf das Wohlbefinden und Belastungserleben der Eltern haben. Dies beinhaltet kulturell und gesellschaftlich geformte Leitvorstellungen der Intensivierung von Elternschaft, zum anderen aber auch im Alltagshandeln begründete Stressoren, wie dem in Einklang bringen von Arbeit und Familie sowie erlebtem Zeitdruck. Darüber hinaus werden kindliche Merkmale einbezogen, die sich mit dem Alter der Kinder verändern. So stellen kindliche Ein- und Durchschlafprobleme vermutete Stressoren für Familien mit Kleinkindern dar, während in Familien mit Schulkindern und auch Jugendlichen eher Stresspotenziale aufgrund von Ablösungs- und Aushandlungsprozessen vermutet werden.
Datengrundlage bilden die zweite Erhebungswelle des integrierten DJI-Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A II)“ aus dem Jahr 2014 sowie die Daten der siebten, achten und neunten Erhebungswelle des Beziehungs- und Familienpanels pairfam, Release 9.1.
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