Integrationsprozesse bei Aussiedlerfamilien aus Staaten der ehemaligen UdSSR
Ergebnisse
• Erfahrungen mit dem strukturierten Tagebuch haben gezeigt, daß damit ein sinnvolles und praktikables Instrument zur zeitnahen Erfassung von Ereignissen, ihrer Veränderung sowie ihres „Umfeldes“ vorliegt und damit die Voraussetzungen zur Beobachtung von Prozessen gegeben sind. Durch die Hinzunahme teilstrukturierter Befragungen lassen sich Begrenzungen erweitern bzw. Informationen besser zuordnen.• Die auf Daten unterschiedlicher Instrumente beruhende Einzelfalldarstellung von zwei Familien leistet nicht nur einen Beitrag zum umfassenderen Verständnis von Integrationsprozessen auf verschiedenen Ebenen, sondern liefert auch wichtige Hinweise auf innerfamiliale Differenzierungen und im Ansatz auf Entwicklungen bzw. Veränderungen.
• Wie zu erwarten, lassen sich im kurzen Untersuchungszeitraum von 6 Monaten Veränderungsprozesse erst ansatzweise aufzeigen. Dennoch konnte die Untersuchung eine Fülle von Informationen auf unterschiedlicher Ebene liefern, die erheblich über die einer einmaligen (oder auch einer replizierten) Befragung hinausgehen.
• Die Schwierigkeiten der Einwanderung und die unsichere Zukunftsperspektive haben nicht dazu geführt, die Ausreiseentscheidung grundsätzlich in Frage zu stellen. Dies gilt meist auch für die Partner anderer Nationalität und für zunächst nicht ausreisewillige Kinder und Jugendliche. Die Ausreisemotive von Eltern und Kindern zeigen z.T. erhebliche Unterschiede, die teilweise generationsbedingt, z.T. durch das politische und persönliche Schicksal von Eltern- und Großeltern nach 1941 bedingt sind. Aufgrund der relativ kleinen Fallzahl kann das Resultat, dass – wie immer wieder angeführt wird, die meisten jungen Aussiedler/innen gegen ihren (ausgesprochenen) Willen nach Deutschland kämen, nur eingeschränkte Aussagekraft beanspruchen.
• Sowohl Befragungsdaten als auch Tagebucheintragungen zeigen den zentralen Wert guter Deutschkenntnisse, deren Bedeutung vor allem als Vorbedingung einer beruflichen Integration von den Teilnehmer/innen immer wieder betont wird. • Fast alle Aussiedler leiden darunter, daß sie auch im günstigen Fall nur eine unterqualifizierte Beschäftigung gefunden haben bzw. erwarten können. Dies, verbunden mit dem Eindruck der Entwertung mitgebrachter Kenntnisse und Qualifikationen, erhöht das Risiko von Orientierungs- und Anpassungsproblemen, wofür auch die vorliegende Untersuchung Hinweise liefert
• Die Betonung der Wichtigkeit von Kontakten zu einheimischen Deutschen findet bislang noch wenig Niederschlag im Alltag der Aussiedler, wie die Tagebuchaufzeichnungen zeigen. Interaktionsfördernde Gelegenheiten werden nur vereinzelt wahrgenommen, vermutlich auch deshalb, weil die Familien in der Einwanderungssituation stark belastet sind, weil angesichts bereits am neuen Wohnort lebender Aussiedlerfamilien Kommunikationsbedürfnisse auch einfacher befriedigt werden können und weil sich die Zuwanderer in einer relativ schwachen sozialen und psychologischen Situation sehen, auch aufgrund ihrer zumeist fehlenden oder schlechten deutschen Sprachfähigkeiten.
• Trotz hoher Integrationsbereitschaft zeigt sich eine starke Orientierung am Herkunftsmilieu: Die Anteilnahme an den dortigen Lebensverhältnissen und vor allem die Kontakte mit Angehörigen aus der alten Heimat sind im allgemeinen in der Anfangsphase sehr wichtig. Aufbau und Veränderung von Netzwerken der neu eingereisten Aussiedler (zu Aussiedlern am Wohnort, zu Verwandten und Freunden in der alten Heimat und zu einheimischen Deutschen sowie zu inländischen „Ausländern“) können mit dem Tagebuch-Verfahren umfassend beobachtet werden.
• Die genauer beobachteten Familien bzw. ihre Mitglieder haben während des Untersuchungszeitraumes gewisse Integrationsfortschritte gemacht. Dazu gehören vielfach eine Verbesserung von Sprachkenntnissen, Ableistung und Bestehen von Sprachkursprüfungen, Erreichen unterschiedlicher (kleinerer) Ziele, Eröffnung weiterer/weiterführender Möglichkeiten usw. Bei Jugendlichen zeigen sich - konkurrierend mit einer starken Familienorientierung - stärker als bei Erwachsenen Tendenzen, die Chancen der Lebensgestaltung in einer individualistischer geprägten Gesellschaft wahrzunehmen und zu nutzen.