Ergebnis-Abstract


Gleichstellungspolitische Steuerungsinstrumente und Personalmanagement
Für die Bundesrepublik Deutschland stellen Gleichberechtigungsgesetze, Frauenförderpläne und
Frauenbeauftragte derzeit die zentralen politisch-administrativen Instrumente dar, mit deren Hilfe eine Gleichstellung von Frauen im Erwerbsbereich erreicht und strukturelle Diskriminierung von weiblichen Beschäftigten unterbunden werden soll. In den USA und Großbritannien wurden jeweils eigene und andere gleichstellungspolitische Instrumente entwickelt. Trotz der unterschiedlichen Struktur der länderspezifischen Gleichstellungspolitik und der geschaffenen Maßnahmen steht die gleiche Zielsetzung im Zentrum: die Vermeidung einer diskriminatorischen Personalpolitik mit dem Ziel, bestehende asymmetrische Geschlechterverhältnisse im Erwerbsbereich zu beheben. An diesen Unterschieden und den in den jeweiligen Ländern gemachten Erfahrungen, Erfolgen und Problemen bei der Umsetzung gleichstellungsorientierter Instrumente setzt der Gegenstand der komparativ angelegten Untersuchung an.
Der vorliegende Forschungsbericht beinhaltet
  • eine international vergleichende Darstellung und Analyse der makropolitischen Entwicklung von Gleichstellungspolitik und ihrer mikropolitischen Umsetzung auf der Ebene von Betrieben und Verwaltungen und
  • eine theoretische Reflexion des Zusammenhangs von Gleichstellungspolitik und Personalmanagement im Kontext einer geschlechtersensiblen Industrial Relations Forschung.


Gemeinsam ist den untersuchten Ländern, daß verbindlich geregelte Gleichstellungspolitik nicht tarifpolitisch sondern staatlich initiiert ist. In den angelsächsischen Ländern - insbesondere in den USA - besteht ein differenziertes System von Gleichstellungspolitik, das die makropolitische Ebene der Antidiskriminierungsgesetzgebung und der Fördermaßnahmen für beruflich benachteiligte Beschäftigtengruppen mit der mikropolitischen Ebene von Personalpolitik in Betrieben und Verwaltungen sowohl des öffentlichen Dienstes als auch der Privatwirtschaft verbindet.
Dies geschieht durch verschiedene staatliche Kontrollbehörden, die die Umsetzung von Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik überprüfen. Herausragend sind die einigen Kontrollbehörden übertragenen Klagebefugnisse. Sie haben sich unter den Bedingungen einer dem Antidiskriminierungsgedanken verpflichteten Gerichtsbarkeit, die finanzielle Sanktionen in Millionenhöhe verhängte, als effiziente Instrumente erwiesen.
Während in den angelsächsischen Ländern Antidiskriminierungsgesetze und zusätzliche positive Maßnahmen bestehen, kennzeichnet sich die Gleichstellungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland durch Gleichberechtigungsgesetze, die den Förderaspekt benachteiligter weiblicher Beschäftigter betonen.
Ihr Anwendungsbereich ist bislang auf den öffentlichen Sektor begrenzt. Eine Verknüpfung von Makropolitik mit Mikropolitik erfolgt durch die eingesetzten betrieblichen Frauenbeauftragten in öffentlichen Verwaltungen, die allerdings keine Klagebefugnis haben und von ihrer personellen, finanziellen und sachlichen Ausstattung mit den angelsächsischen staatlichen Kontrollbehörden nicht vergleichbar sind.
Empirische Befunde aus den untersuchten Ländern erbrachten übereinstimmend Implementationsbarrieren bei der Umsetzung von Gleichstellungsregelungen innerhalb der Personalpolitik. Obwohl Geschlechterneutralität und Bestenauslese in der Wahrnehmung von Personalmanagern als miteinander verknüpfte oberste Prinzipien von Personalauswahl proklamiert werden, belegen empirische Studien und Analysen in allen Ländern offene oder verdeckte Verstöße gegen diese Prinzipien. Ihre Mißachtung bestimmt den Alltag von Personalpolitik auf nahezu jeder Stufe personalpolitischer Entscheidungen. Die personalpolitische Bedeutung des Senioritätsprinzips für berufliche Aufstiege und Beförderungen stellt in allen untersuchten Ländern eine strukturelle Barriere dar. Der Widerstand männlicher Belegschaften sowie männlicher Angehöriger des (Mittel)Managements gegen positive Maßnahmen - insbesondere gegen Quotierungsvorschriften - für unterrepräsentierte Beschäftigtengruppen wie Frauen (und ethnische Minderheiten) ist in allen untersuchten drei Ländern groß und dokumentiert ein bestehendes Konkurrenzverhältnis zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten.
Dieses Konkurrenzverhältnis bricht immer dann auf, wenn es infolge gleichstellungsorientierter Maßnahmen um den geschlechterparitätischen Zugang zu relativ gesehen knappen Arbeitsplätzen mit guten Rahmenbedingungen geht.
Die theoretische Reflexion der Entwicklung und Umsetzung von Gleichstellungspolitik erfolgte mit der Zielsetzung, den Bedeutungsgehalt der sozialen Strukturkategorie Geschlecht im Kontext einer akteurs- und arenenbezogenen Forschung sichtbar zu machen, um zu zeigen, in welcher Weise und über welche Mechanismen Geschlechterverhältnisse im Erwerbsbereich sozial konstruiert werden und wie betriebliche Akteure mit gleichstellungspolitischen Maßnahmen umgehen, die eine Veränderung asymmetrischer Geschlechterverhältnisse zu erreichen suchen.
Dies sollte durch eine wechselseitige Fruchtbarmachung theoretischer Erklärungsansätze aus der Frauen- und Geschlechterforschung einerseits und der Industrial Relations Forschung andererseits geschehen.
In einem ersten Schritt ging es um eine Analyse der Entstehung makropolitischer Instrumente der Gleichstellungspolitik vor dem Hintergrund tripartistischer Arenenstrukturen. Ausgangspunkt der Betrachtung war der im Ländervergleich übereinstimmende Befund, dass verbindliche Gleichstellungspolitik vom Staat initiiert ist und durch die jeweiligen länderspezifischen Frauenbewegungen und daraus entstandenen Frauenorganisationen maßgeblich beeinflußt war, während sich traditionelle Akteure industrieller Beziehungen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände)abstinent oder ablehnend verhielten. Vor dem Hintergrund der empirischen Befunde wurde die These entwickelt, dass neue Akteure, die mit dem Staat in eine wie auch immer gestaltete Beziehung treten, um Verteilungsstrukturen im Erwerbsleben anders und neu zu regeln, Ausdruck bestehender Defizite in dem Beziehungsgeflecht traditioneller Akteure sind. Frauenbewegung und neue Frauenverbände stell(t)en Arenen dar, die auf gleichstellungspolitische Mängel in der Interessenstruktur traditioneller Akteure reagieren, indem sie eigene Einflußwege entwickeln. Auf diese Weise gelang es, arbeitspolitische Verteilungsfragen im Rahmen von Gleichberechtigungs- und Antidiskriminierungsgesetzen unterzubringen und zu regeln, die auf dem konventionellen tarifpolitischen Verhandlungsweg nicht durchsetzbar gewesen wären.

In einem zweiten Schritt ging es um die Frage, welche Bedeutung die Kategorie Geschlecht für das Handeln und die dahinter stehenden Interessen betrieblicher AkteurInnen im mikropolitischen Bereich hat. Dabei wurde sowohl das Verhalten des (Personal-)Managements als auch dasjenige von betrieblichen Vertretern von Arbeitnehmerinteressen analysiert und das Ineinandergreifen der jeweiligen Strategien aufgezeigt, das zu strukturellen Ausschlüssen von Frauen führt und ihre berufliche Diskriminierung zum Ergebnis hat.
Personalmanager verfügen über Handlungskorridore im Rahmen von Personalpolitik, die wegen der zu vagen Definition von Personalauswahlkriterien - insbesondere dem Eignungskriterium - eine interessengeleitete Ausgestaltung von Handlungsspielräumen ermöglichen. Schwangerschaft, Mutterschaft und die Zuständigkeit von Frauen für unmittelbare reproduktive Aufgaben werden unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als ungünstige Merkmale weiblicher Arbeitskräfte definiert, die selbst dann zum Ausschluß von Frauen aus attraktiven Tätigkeiten führen, wenn weibliche Bewerber im Vergleich zu Männern gleich oder besser qualifiziert sind. Zugleich gibt es aber auch andere Verhaltensweisen des Personalmanagements, die betriebswirtschaftlich begründet auf die Aktivierung des weiblichen Arbeitskräftepotentials ausgerichtet sind, wenn die Beschäftigung von Frauen Konkurrenzvorsprünge erwarten läßt. Dies verdeutlicht, daß generalisierende Aussagen über betriebswirtschaftliche Nachteile der Frauenbeschäftigung keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können. Darüber hinaus belegt das Beispiel USA, dass sich diskriminatorische Handlungsspielräume des Personalmanagements verengen, wenn politisch-administrative Gleichstellungsinstrumente gut durchstrukturiert und aufeinander bezogen sind: Die höchsten gleichstellungspolitischen Erträge lassen sich empirisch nachweisen,
wenn die makropolitische Ebene der Gesetzgebung und Rechtsprechung mit der mikropolitischen Ebene von Personalpolitik verknüpft ist durch die Einrichtung staatlicher Kontrollinstanzen, die die Implementation von Gleichstellungspolitik überprüfen und sanktionieren können.

Männliche Widerstände gegen eine redistributive Gleichstellungspolitik lassen sich vor allem dann feststellen, wenn ihre beruflichen Privilegien, die aus der Aufrechterhaltung traditioneller Arbeitsteilungsmuster im Produktions- und Reproduktionsbereich resultieren, durch harte gleichstellungspolitische Maßnahmen wie z.B. Quotenregelungen gefährdet erscheinen. Männliche Belegschaften nutzen ihre Einflußmöglichkeiten, betriebliche Arbeitnehmervertreter unter Druck zu setzen, um eine Veränderung der traditionellen Arbeitsteilung unter den Geschlechtern zu verhindern. Die Betonung des Senioritätsprinzips durch Personalräte und ihre Deutung als Qualifikationsnachweis im Rahmen der Bestenauslese ist eng verknüpft mit der Aufrechterhaltung von männlichen Privilegien, die ihre Wurzeln in der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung haben. Auch die Bedeutung der Familienernährerfunktion, die den Zusammenhang von Produktions- und Reproduktionsbereich in seinem traditionellen Zuschnitt mitdenkt, begünstigt berufliche Erwerbschancen und die Erschließung von Aufstiegswegen für männliche Beschäftigte. Im Ergebnis führt das Verhalten von Personalvertretungen zu Allianzen mit Personalmanagern, die sich zum Nachteil der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen auswirken. Aber ebenso wie bei Personalmanagern lassen sich auch bei Personalvertretungen andere Handlungskorridore zeigen. Wenn männliche Personalräte von den Interessen männlicher Belegschaften weniger abhängig sind und eine Unterstützung von Gleichstellungspolitik zugleich individuelle Nutzensteigerungen für Personalräte ermöglicht (Stichwort: individuelle Profilierungschancen), dann gehört ein gleichstellungsorientiertes Engagement zu den Verhaltensweisen, denen Raum gegeben wird. Auch ein Teil der weiblichen Personalrätinnen, die in ihrer Arbeitsbiographie eine temporäre Ausübung von Personalratstätigkeiten eingeplant haben und deshalb weniger von der Durchsetzung männlicher Interessen abhängig sind, setzt sich engagiert für die berufliche Förderung von Frauen ein.
Die zeitliche Befristung ihrer Personalratsarbeit wie auch ihre Minderheitenposition innerhalb von Personalratsgremien wirken sich jedoch nachteilig auf eine effektvolle und dauerhafte Implementation von Gleichstellungsmaßnahmen aus.