Ganztagsangebote als Mittel zur Unterstützung von Grundschüler:innen in armutsbetroffenen oder -bedrohten Familien
Eines der Ziele des Ausbaus von Ganztagsschulen bzw. von Ganztagsangeboten ist der Abbau herkunftsbedingter Bildungsbarrieren, insbesondere auch für Schüler:innen in prekären Lebenslagen, d.h. von Kindern und Jugendlichen, die von Armut betroffen oder bedroht sind (Chassé 2011). Gerade diese Schüler:innen würden von einem zeitlich erweiterten Schultag mit zusätzlichen fach- und freizeitbezogenen Angeboten profitieren. Das trifft für Grundschüler:innen in besonderem Maß zu, weil eine frühe Unterstützung die Entwicklung grundlegender Dispositionen und Verhaltensweisen fördert, die für ihren Lernerfolg und damit auch für ihren weiteren Bildungsweg entscheidend sind (Schmitz 2022).
Ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter sind allerdings sehr unterschiedlich organisiert. Neben Ganztagsschulen in offener und gebundener Form werden Horte, Tagesheime oder verschiedene Angebote der Mittagsbetreuung zur ganztägigen Bildung und Betreuung gezählt (StEG-Konsortium 2019). Die für ganztätige Bildung und Betreuung konstitutive multiprofessionelle und interinstitutionelle Zusammenarbeit auf der Basis eines gemeinsamen pädagogischen Verständnisses ist unterschiedlich ausgeprägt. Die Ergebnisse des an Münchner Grundschulen durchgeführten Projektes „Zusammenhänge zwischen prekären Lebenslagen und Bildungsverläufen. Die Situation von Schüler:innen am Übergang ins Sekundarschulsystem“ [2]zeigen, dass die Zusammenarbeit von einem einfachen Austausch über bestehende außerschulische Angebote bis zu einer intensiven und kontinuierlichen fachlichen Kooperation reicht. Zugleich wurde deutlich, dass Lehr- und Fachkräfte an Grundschulen mit den verschiedenen Varianten ganztätiger Bildung und Betreuung unterschiedliche Vor- und Nachteilen verbinden, die nur zum Teil auf die eigenen beruflichen Erfahrungen und/oder den professionellen Hintergrund zurückzuführen sind, aber relevant für die Gestaltung ganztägiger Angebote sind.
Vor diesem Hintergrund wird im Projekt untersucht, welchen Einfluss die Erfahrungen, Bewertungen und Überzeugungen die Mitarbeitenden an Schulen und pädagogischen Einrichtungen für die Erarbeitung eines gemeinsamen pädagogischen Grundverständnisses und für die Gestaltung ganztägiger Angebote haben und inwieweit die Angebote an den Schulen die Bedarfe armutsbetroffener und armutsbedrohter Schüler:innen in Rechnung stellen. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, wie mit dem gerade auch im Grundschulbereich vorzufindenden ausgeprägten Mangel an Lehr- und Fachkräften, aber auch an räumlichen und sachlichen Ressourcen wie etwa spezifischen Angeboten umgegangen wird bzw. wie sich dieser Mangel in der Angebotsgestaltung niederschlägt.
Im Projekt wird dazu zum einen eine systematische Re-Analyse des Datenbestandes aus dem Projekt „Zusammenhänge zwischen prekären Lebenslagen und Bildungsverläufen. Die Situation von Schüler:innen am Übergang ins Sekundarschulsystem“ vorgenommen. Zum anderen werden ergänzende Expert:innen-Gespräche mit Vertreter:innen außerschulischer Einrichtungen ganztägiger Bildung und Erziehung für Kinder im Grundschulalter in der Landeshauptstadt München geführt.
Chassé, K.A. (2011). Widersprüche der Bekämpfung von (Kinder)Armut in der Sozialen Arbeit. Widersprüche: Zeitschrift für sozialistische Politik im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich, 31(119/120), 79-97.
Schmitz, L. (2022). Heterogeneous effects of after-school care on child development. DIW Discussion Paper 6, Berlin. URL: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.844437.de/dp2006.pdf
StEG-Konsortium (2019). Ganztagsschule 2017/2018. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung. URL: https://www.pedocs.de/volltexte/2019/17105/pdf/Ganztagsschule_2017_2018_StEG.pdf