Evaluation der Familienselbsthilfe
Projektbeschreibung
Ausgangssituation
Zielsetzung
Konzeption und Methode
Ergebnisse
Ausgangssituation
Familienselbsthilfeinitiativen sind eine kollektive Form der Selbstorganisation, die an den Übergangsstellen zwischen privatem und öffentlichem Raum, zwischen den Alltagsstrategien in privaten und nachbarschaftlichen Netzwerken und den (sozial)staatlich gelenkten Agenturen zur Betreuung und Erziehung von Kindern angesiedelt sind. Schon seit Mitte der siebziger Jahre spielt die Selbsthilfe mit ihren vielfältigen Formen in der sozialen Wirklichkeit der alten Bundesrepublik eine immer wichtigere, aber auch in den Debatten um die Zukunft des Sozialstaats eine theoretisch und konzeptionell herausgehobene Rolle. Dabei ist ihr vielfach die Funktion einer „Speerspitze der Innovation“ bei der Weiterentwicklung (dem „Umbau“) des Sozialstaats zugesprochen worden.
Zielsetzung
Das Forschungsprojekt "Evaluation der Familienselbsthilfe versuchte daher, im Rahmen der Neubestimmung des Sozialen im Umbau der Industrie- zur Wissensgesellschaft Potenziale und bürgerschaftliche Energie von Familien sichtbar zu machen. Diese werden insbesondere dann in Familien freigesetzt, wenn sie aktiv in Initiativen und in gemeinsamer Verantwortung das Leben mit ihren Kindern versuchen zu gestalten und zu verbessern. Flächendeckend z. T. bis in den ländlichen Raum hinein haben sich seit fast 20 Jahren solche Initiativen wie z.B. Stillgruppen, Mütter- und Familienzentren, Elterninitiativen, Stiefelterngruppen und mehr entwickelt.
Familienselbsthilfegruppen unterscheiden sich von anderen Selbsthilfegruppe dadurch, dass sie an ihrem familiären Lebenszusammenhang ansetzen und die scheinbar privaten Probleme durch die Erweiterung ihres Familiensystems zu bewältigen versuchen. Durch die Bildung kleinräumiger Solidarnetze erweisen sie sich dabei als strukturelle Unterstützung bei der Bewältigung der ständig zu erbringenden Anpassungs- und Erziehungsleistung von Familien. Dabei geht es nicht um die Überwindung traditioneller Familienstrukturen, sondern um die Öffnung der Familie. Aus familiensoziologischen Untersuchungen ist bekannt, dass gerade die Übergänge von der Paarsituation zur Familie zu den sog. sensiblen Phasen zählt, die einerseits sehr krisenanfällig sind, andererseits gerade durch solche Umstellungen auch Ressourcen zur Selbstgestaltung aktiviert werden. Damit verändern die Initiativen die Ansätze der bisherigen Stoßrichtung der Familienpolitik, Familien als Empfänger familienpolitischer Leistungen wahrzunehmen. Familienselbsthilfeinitiativen präsentieren sich vielmehr als Akteure, die Familienpolitik - sozusagen von unten - selbst mitgestalten.
Konzeption und Methode
Der gewählte Evaluationsansatz setzte sich zusammen aus responsiver, offener und praxisorientierter Evaluation. Er verstand sich als interaktiver Forschungsprozess zusammen mit den beteiligten Personen und betonte die Relevanz qualitativer und handlungsbezogener Forschungsmethoden in Kombination mit deskriptiver, statistischer und quantitativer Datenerhebung in Anlehnung an die Grounded Theory. Er beinhaltete auch eine bewertende Stellungnahme im Sinne einer Verankerung von Familienselbsthilfe als Ergänzung des Versorgungs- und Leistungsangebots für Familien und deren Verankerung in der Förderung.
Das Projekt benutzte einen "Methodenmix" aus standardisierten und offenen Befragungen von engagierten Akteuren in Selbsthilfegruppen, von Experten z.B. aus Jugend-/ Sozialämtern und Wohlfahrtsverbänden, aus Gruppengesprächen in Selbsthilfeinitiativen und führte Recherchen zu Regionaldaten aus verschiedensten Quellen durch. An vier ausgewählten Regionen wurden die Wechselwirkungen zwischen Kommunalpolitik, Familienselbsthilfeinitiativen und Wohlfahrtsverbänden, d.h. ihre Verflechtungen, ihre Vernetzungsgrade und die gegenseitige Unterstützung und Anerkennung untersucht. Im Rahmen der standardisierten Befragungen wurden insgesamt 1577 Eltern erfasst, darunter 1091 Mütter und 486 Väter. Außerdem wurden noch 303 ErzieherInnen und 105 Vertreter von Trägervereinen schriftlich befragt.
Die empirische Erfassung der Gesamtheit von Familienselbsthilfe - zu der es keine amtliche Statistik gab und gibt - war aus forschungstechnischen und zeitlichen Gründen jedoch nicht möglich. Die Exploration der Familienselbsthilfe wurde schließlich durch die folgende Auswahl von Untersuchungseinheiten bestimmt: Zur Profilerstellung dienten zum einen die Einzeluntersuchungen in den die 'Bundesarbeitsgemeinschaft Mütter- und Familienselbsthilfe' (BAG) konstituierenden Mitgliedsverbänden, das sind der Bundesverband Mütterzentren, die Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen (BAGE), die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (Bundesverband), die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen Stieffamilien; zum anderen trugen dazu die Regionalstudien in den Untersuchungsregionen Usedom, Leipzig, Bergisch Gladbach und München bei.
Ergebnisse Das Projekt wurde Mitte 1998 mit einem Abschlußbericht an das Bundesfamilienministerium beendet. Veröffentlichung: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Deutsches Jugendinstitut e.V. (Hrsg.) (2001): „Familienselbsthilfe und ihr Potential für eine Reformpolitik von unten“. Materialien zur Familienpolitik Nr. 15. Berlin. Der Bericht kann angefordert werden beim: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 53107 Bonn bzw. Postfach 10832 Berlin oder per Internet: BMFSFJ
Außerdem wurde für das Sozialreferat der Landeshauptstadt München zusammen mit VertreterInnen des Sozialreferats ein Gutachten zu Eltern-Kind-Initiativen in München erstellt. In diesen Zusammenhang gehörte auch die konzeptionelle Entwicklung, Initiierung und Beratung zu Modellen von public-private-partnership Ansätzen, wie z. B. betrieblich geförderte Elterninitiativen wie auch die Erstellung einer Konzeption und Umsetzung eines hochflexiblen stundenweisen Betreuungsmodells „Münchner Kindl“ durch Frau Gerzer-Sass.