Datenbank: Apps für Kinder - Bewertungskriterien

 

Laufzeit: 01.01.2013 - 31.03.2016


Vorbemerkung: Die Bewertungskriterien, die derzeit an Apps für Kinder angelegt werden, orientieren sich an jenen für Kinderwebsites. Diese sind jedoch nur anwendbar, soweit es sich um die "weichen" Kriterien handelt, wie z.B. des Designs, welche die Benutzerführung und Funktionsfähigkeit mit umfassen, und der pädagogischen Eignung für die Zielgruppe. Die formalen oder "harten" Bewertungskriterien basieren in der Regel auf rechtlichen Grundlagen, doch der Begriff App bzw. Applikation existiert im juristischen Sinne nicht. Während Internetangebote zu den elektronischen Informations- und Kommunikationsdiensten zählen, für welche die Regularien im Telemediengesetz und Jugendmedienstaatsvertrag gelten, kommt es bei einer App darauf an, ob sie offline oder nur online vollständig funktionsfähig ist, unter welchem Bedingungen ein Store die App eines Produzenten vertreibt und ab welchem Alter und unter welchen Kautelen ein Nutzer dort downloaden oder einkaufen darf. Allgemeingültige formale Kriterien, die eine App erfüllen muss, gibt es also nicht. Dies ist insbesondere mit Blick auf den Kinderschutz von Relevanz, denn Werbefreiheit, der Verzicht auf In-App-Käufe und auf Links zu den sozialen Medien können ebenso wenig für verbindlich erklärt werden wie die Alterskennzeichnung einer App. Dessen ungeachtet können sie aber "Qualitätsmerkmale" eines guten Kinderapp-Angebots sein.

Nicht außer Acht zu lassen ist, dass die Applikationen für den internationalen Markt produziert werden und derzeit fast ausschließlich auf den Plattformen amerikanischer Global Player vertrieben werden. Wenig Erstaunen darf deshalb, dass sich der Kinder- und Jugendschutzgedanke eher an US-amerikanischen als an europäischen oder gar an deutschen Standards orientiert. Prinzipiell wird in den Nutzungsbedingungen der App-Stores, iTunes und Google play, vorausgesetzt, dass ihr jeweiliger Dienst nur natürlichen Personen, die 13 Jahre und älter sind, zur Verfügung steht und Minderjährige unter 18 Jahren mit dem Einverständnis ihrer Eltern handeln. Damit werden die Eltern von den Vertriebsplattformen sowohl für das rechtsgeschäftliche Handeln als auch für den Schutz ihrer Kinder vor Gefahren in die Verantwortung genommen. Die Risiken für Kinder, die in den Apps mitgeliefert werden können, sollen die Eltern selbst in Eigenregie minimieren, indem sie z.B. die Einstellungen in den internetfähigen mobilen Endgeräten entsprechend manipulieren.

Allerdings ist amerikanischen Internetquellen zu entnehmen, dass Apple Kindern unter 13 Jahren einen iTunes User Account ermöglichen will, sofern der Store über eine anerkannte Bildungsinstitution zugänglich gemacht wird. Der im Sommer 2013 - zeitgleich mit der Einführung des Betriebssystems iOS7 - eröffnete "Kinderbereich" wird auf dieses Vorhaben zurückgeführt. Einige Anbieter haben ihre Apps bereits einem Update unterzogen und die durch Apple vorgenommene "Programmbewertung 4+" (kein anstößiges Material) mit einer eigenen Alterskennzeichnung ergänzt. Angebote, die sich an Kinder unter 13 Jahren richten, sind in den USA dem "Children’s Online Privacy Act" (COPPA) der Federal Trade Commission verpflichtet. Dieser verbietet zwar die Erhebung persönlicher Daten bei Kindern und In-App-Käufe, verhindert aber nicht, dass sich in den Apps Produktwerbung, Links zu Stores, sozialen Medien und anderen Websites befinden. Nun aber sind diese vor dem Zugang von Kindern bis zu 12 Jahren zu sichern. In der Praxis wurde die Anpassung der Apps an die Anforderungen des neuen Kinderbereichs, genauer der Zugang zum Elternbereich oder ins Internet, mit Hinweisen in Pop-ups wie folgt realisiert: "Streichen Sie mit zwei Fingern nach links", nach rechts, nach oben oder unten. "Drücken Sie zwei Sekunden", oder auch drei. Manchmal sind auch Rechenaufgaben im einstelligen Bereich "3 + 3 =" oder aber auch im dreistelligen Bereich zu lösen. Obgleich derartige Sicherungssysteme für Kinder nur tauglich sind, wenn diese nicht lesen und rechnen können, sind sie unter dem Gesichtspunkt des derzeitigen Stands des "Safety by Design" im Bereich der Applikationen ein anerkennenswertes Bewertungsmerkmal. Bei einigen Apps werden die kindersensiblen Bereiche bereits beim Download in den Einstellungen des Tablets abgelegt, in anderen wird auf Links vollständig verzichtet. Welche Folgen die Initiative vonseiten Apple’s für das Kinderangebot auf den Vertriebsplattformen von Google play und Amazon hat, ist nicht abzusehen, sicherlich trägt sie zur Sensibilisierung der Entwickler für den Kinder- und Jugendschutz bei.

Bewertungskriterien: Die Qualitätsmerkmale, die im Folgenden für die Beurteilung der Applikationen für mobile Endgeräte - Smartphones und Tablets - zugrunde gelegt werden, orientieren sich an der Zielgruppe des Angebots, nämlich den Kindern, auch wenn prinzipiell unterstellt werden kann, dass für die Gruppe der Klein-, Kindergarten- und Vorschulkinder und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch für die der Grundschulkinder, die Eltern die Apps besorgen und somit auch aktiv (mit) auswählen. Die Promotionseiten zur App in den Stores werden nicht bewertet, sondern allein die Applikationen wie sie sich nach dem Download präsentieren.

Zielgruppenorientierung und Altersgerechtheit

  • transparente Angaben zur Zielgruppe (Alterskennzeichnung)
  • interessante, altersgerechte, lebensweltorientierte Inhalte
  • verständliche Aufbereitung des Inhalts in Bildern, Texten und/ oder Tönen
  • an die haptischen Fähigkeiten der Kinder angepasste interaktive und animierbare Elemente
  • angemessener Schwierigkeitsgrad von Spiel- und Lernaufgaben, bei großem Altersrange abstufbare Schwierigkeitsgrade

Attraktivität und Konsistenz der Inhalte

  • mediengerechte interaktive Umsetzung der Inhalte
  • Möglichkeiten der aktiven (Mit-)Gestaltung des Inhalts bzw. der Spielabläufe
  • altersgerechte Herausforderungen und Problemstellungen beim Spielen und Lernen
  • Vermittlung von Selbstwirksamkeitserfahrungen (Rückmeldungen)
  • stimmige Sachinhalte (Lernspiel-Apps)
  • zielgruppengerechte Sprache
  • fehlerfreie Rechtschreibung, Grammatik, Übersetzung der Texte

Gestaltung von Text, Audio und Grafik

  • Lesbarkeit der Texte (Schriftgröße, Schriftart, Kontrast)
  • Vertonung der Texte/ Inhalte
  • variable Nutzbarkeit von Texten, Stimmen, Geräuschen, Klangbildern (ein-/ausblenden, Lautstärke)
  • akustische Elemente unterstützen die Rezeption, lenken nicht ab und stören nicht
  • Verwendung intuitiv verstehbarer Piktogramme und Standard-Icons als Navigationselemente
  • großflächige Gestaltung der interaktiven Schaltflächen, die der Haptik von Kindern entgegen kommt
  • visuelle und/ oder akustische Hilfestellungen
  • akustische Elemente können selbst erzeugt und aufgenommen werden (optional)
  • Symbole für Spielwährung und echtes Geld sind deutlich unterscheidbar

Werbung und Kommerz

  • keine Werbung Dritter (werbefrei)
  • strikte Trennung von App-Inhalten und Werbung sowie von App-Inhalten und Eigenwerbung
  • keine Werbung für entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte sowie für Produkte, die mit Werbeverbot belegt sind
  • keine Pop-up-Werbung, die den Inhalt überlagert oder dessen Rezeption stört
  • kein Erwerb der Vollversion durch In-App-Kauf
  • kein Erwerb von Spielerweiterungen durch In-App-Kauf und/ oder Konsum von Werbung und/ oder Aufforderung zum exzessiven Spielen
  • keine Push-Nachrichten
  • Gesicherter bzw. elternkontrollierter Transfer von Zahlungsmitteln

Kinder- und Datenschutz

  • kein Abruf persönlicher Daten (ohne Zustimmung der Eltern)
  • kein unkontrolliertes Hochladen und Veröffentlichen von Fotos, Bildern, Zeichnungen aus der App heraus
  • keine direkt zugängliche Verlinkung zu Social Media bzw. Kommunikationsdiensten wie Facebook, Youtube
  • keine Aufforderung zur Bewertung der App mit direkter Verlinkung in den Store
  • keine vorgefertigten Empfehlungs-E-Mails an Freunde
  • kein direkter Zugang zur Homepage des Anbieters
  • gesicherter Elternbereich

Weitere formale Kriterien

  • Transparenz des Angebots (Angaben zum Anbieter, Entwickler, Copyright, Impressum bei Web- und Browser-Apps, die z.T. nicht verpflichtend sind)
  • technische Funktionsfähigkeit
  • Funktionsfähigkeit angebotsabhängiger technischer Features (z.B. Zugriff auf Kamera, Fotoalbum, externes Mikrofon im Gerät, Schließfunktion, Speicherung von Spielständen)
  • Elternbereich: Trennung von kinderschutzrelevantem gesichertem Bereich und Spielanleitung, Hilfefunktion und Spieleinstellungen


Gesamtbeurteilung: Die aufgelisteten Kriterien-Kombinationen sind Leitlinien zur Gesamtbewertung der Apps, die möglicherweise aufgrund des individuellen Charakters einer App nicht immer stringent anwendbar sind. Abweichungen bei der Zuordnung bedürfen jedoch einer Begründung (vgl. "Zusammenfassung" der Appbesprechung). Ungeachtet der „Einordnungskriterien“ enthalten Bewertungen immer auch individuelle Geschmacksurteile, insbesondere mit Blick auf die Eignung von Inhalten und auf die grafische Gestaltung einer App. Um der Subjektivität bei der Bewertung Grenzen zu setzen wird jede Appbewertung von einer zweiten Person gegengecheckt.

sehr empfehlenswert:
Interessante zielgruppenspezifische Inhalte, zielgruppengerechte interaktive Aufbereitung, stringente intuitive Benutzerführung, ggf. Spielanleitung oder Hilfefunktion, werbefrei, frei von kommerziellen Eigeninteressen, keine ungesicherten Links innerhalb der App ins Internet, ggf. Elternbereich

empfehlenswert:
Interessante zielgruppenspezifische Inhalte, zielgruppengerechte interaktive Aufbereitung, zweckmäßige Benutzerführung, kindergesicherter Internetzugang z.B. zu Anbieter, Appstore, Facebook.

gerade noch empfehlenswert:
Interessante Inhalte, aber für die vorgesehene Zielgruppe nicht angemessen und/oder minimalistische eher legitimatorische digitale Aufbereitung und/oder verwirrende Benutzerführung und/oder teilweise mit sachlichen Fehlern behaftete Inhalte und/ oder massive Strategien der Eigenwerbung und/oder ungesicherte Links ins Internet.

nicht empfehlenswert:
Zu wenige oder keine App-spezifischen Inhalte und/ oder unzureichende digitale Aufbereitung der Inhalte und/ oder mangelhafte Funktionsfähigkeit der App und/ oder Ausnutzung der Unerfahrenheit von Kindern (Werbung, Kommerz, In-App-Kauf) und/ oder Ausnutzung der Spielleidenschaft von Kindern und/oder Push-Nachrichten und/oder keine Gewährleistung des Kinder- und Jugendschutzes.

entfällt:
Browser-/ Web-App zum Besprechungszeitpunkt nicht vollständig funktionsfähig.

 

Quellen zu den Bewertungskriterien

Comenius-Siegel, Comenius-Medaille, Comenius-Euromedia-Siegel, Comenius-Euromedia-Medaille. Durchführung: GPI – Gesellschaft für Pädagogik und Information e.V. (o.J.): Comeniusauszeichnungen. Qualitätskriterien und Bewertung für IKT-basierte Bildungsmedien im Comenius-EduMedia-Wettbewerb. Online verfügbar: http://www.comenius-award.de; http://www.gpi-online.de/front_content.php?idcat=1529 (Letzter Zugriff: 13.01.2014)

digita – Deutscher Bildungsmedien-Preis. Träger: IBI - Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft/ Intel GmbH/ Stiftung Lesen: Kriterien. Online verfügbar: http://www.digita.de/teil_krit03.htm (Letzter Zugriff: 13.01.2014)

Europäischer KinderOnlinePreis ("European Award for Best Content for Kids"). Durchführende in Deutschland: klicksafe in Kooperation mit fragFINN e.V. und klick-tipps.net. Teilnahme- und Bewertungskriterien. Online verfübar: http://www.bestcontentaward.eu/criteria-for-judges (Letzter Zugriff: 13.01.2014)

Feil, Christine/ Decker, Regina/ Schön, Sandra (2001): "Websites für Kinder" – eine Datenbank des Deutschen Jugendinstituts. In: Feil, Christine (Hrsg.): Internet für Kinder. Hilfen für Eltern, Erzieher und Lehrer. Opladen: Leske + Budrich, S. 23-84 [Die Bewertungs- und Empfehlungskriterien, S. 26-28]

Giga-Maus – der Medienpreis von ELTERN family: http://www.gigamaus.de (Letzter Zugriff: 13.01.2014) (Die unveröffentlichten Bewertungskriterien (o.J.) wurden zur Verfügung gestellt.)

"Gute Apps für Kinder". Offener Onlinekurs, Media Literacy Lab. Durchführung: AG Medienpädagogik, Institut für Erziehungswissenschaft Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Kriterien. Online verfügbar: http://de.gute-apps-fuer-kinder.de/index.php?title=Kategorien (Letzter Zugriff: 13.01.2014).

Pädi - Der pädagogische Interaktiv-Preis. Durchführung: SiN – Studio im Netz. Auswahlverfahren. Online verfügbar: http://www.sin-net.de/index.php?id=402 (Letzter Zugriff: 13.01.2014)

POSCON - Positive Online Content and Services for Children in Europe (20112-2014): Checklist & Concrete Criteria for Positive Content. 38 S. Online verfügbar: http://www.positivecontent.eu/positive-content-criteria (Letzter Zugriff: 13.01.2014) [Guidelines for Apps, p. 31-32]

POSCON - Positive Online Content and Services for Children in Europe (20112-2014): Checkliste: Kriterien für gute Onlineangebote für Kinder (4-12 Jahre). Online verfügbar: http://www.positivecontent.eu/checklist-de (Letzter Zugriff: 13.01.2014)

 

weiter zur "Datenbank: Apps für Kinder" >>

Kontakt

+49 89 62306-592
Deutsches Jugendinstitut
Nockherstr. 2
81541 München

Mehr zum Projekt