Datenbank ProKiTa
Praxisforschung und Modellprojekte in den Bereichen Kindertagesstätten und Tagespflege
Querauswertung zum Thema Tagespflege
Gisela Dittrich
Mit Kindertagespflege wird die Form der Betreuung bezeichnet, in der eine Frau, zum Teil mit eigenem Kleinkind, bis zu drei fremde Kinder, überwiegend im Alter von unter drei Jahren, in der eigenen Wohnung tagsüber betreut. Da der Begriff der Tagespflege auch im Altenbereich angewendet wird, ist es sinnvoll, hier von der Kindertagespflege zu sprechen. Die Kindertagespflege stellt ein bisher überwiegend privates Arrangement zwischen Tagespflegeperson und Eltern dar.
In den letzten Jahren hat die Kindertagespflege eine enorme gesellschaftliche Aufwertung erfahren. Eine veränderte familienpolitische Schwerpunktsetzung führte zu einer zwar kontrovers diskutierten, aber im Endeffekt sich angleichenden Forderung aller Parteien nach einem Ausbau der Kindertagespflege, hin zu einem Drittel am Gesamtausbau aller Kinderbetreuungsplätze für Kinder unter drei. Sie sind damit ein wesentlicher Teil des Vorhabens, Kinderbetreuungsplätze für die unter Dreijährigen in den kommenden Jahren auf einen Versorgungsgrad von 20% anzuheben und dabei die Tagespflege als ein Alternativangebot neben der Betreuung in Kinderkrippen zu sehen (Jurczyk, 2005, S. 12ff).
Die Gesamtversorgung mit Betreuungsplätzen für Kinder unter drei beträgt in Deutschland derzeit 9%, mit deutlich regionalen Unterschieden. Während Ostdeutschland in der Gesamtversorgung der Kinder unter drei eine Versorgungsquote von 37% aufweist, beträgt sie im Westen lediglich 2,7% (ebd., S.11). Dem steht im Westen ein Anteil von knapp 30% erwerbstätigen Müttern mit Kindern unter drei gegenüber (ebd., S.13).
Eine Jugendamtserhebung von van Santen/Seckinger (2002, S. 152) für das Jahr 1999 ergab 54.125 Kinder, die bei einer Tagesmutter betreut werden und bei kommunalen Jugendämtern gemeldet waren. Eine Schätzung für das Jahr 2002 auf der Basis dieser Daten ergibt ca. 68.000 Kinder die im öffentlichen Markt der Tagespflege betreut werden (van Santen, 2005). Dies erfasst allerdings nur einen Teil der tatsächlich existierenden Tagespflegeangebote. Ein zu vermutender größerer Anteil der Tagespflegeplätze kann nicht eruiert werden, da bis zum In-Kraft-Treten des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG) im Oktober 2004 die Plätze erst bei einer Betreuung von mehr als drei Kindern in den Jugendämtern gemeldet werden mussten.
Es existiert bisher ein großer grauer Markt im Bereich der Tagespflege. Den größten Anteil der bei Tagesmüttern betreuten Kindern machen die Kinder von 0 bis 3 und 3 bis 6 Jahren, also alle Vorschulkinder aus.
Ein kommender Ausbau von Betreuungsplätzen wird sich vor allem auf die westlichen Bundesländer beziehen. Um diesen zu unterstützen, hat die Bundesregierung 2004 einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der erstmals eine öffentliche Förderung der Kindertagespflege vorsieht. Mit zwei Novellierungen des KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz), dem TAG (Tagesbetreuungsausbaugesetz), verabschiedet im Oktober 2004, und dem KICK (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz), verabschiedet im Juli 2005, ist die Kindertagespflege gesetzlich in die öffentliche Verantwortung gerückt worden. Diese Gesetze beinhalten folgende Kernpunkte:
- Durch eine gesetzliche Gleichstellung mit den institutionellen Angeboten von Krippe und Kindergarten gelten nun auch in der Kindertagespflege die Grundsätze Erziehung, Bildung und Betreuung (SGB VII, TAG § 22 (3)).
- In beiden Angebotsformen soll „die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ gefördert und „die Erziehung und Bildung in der Familie“ unterstützt und ergänzt werden. Den Eltern soll geholfen werden „Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können“ (SGB VII, TAG § 22).
- An den Jugendhilfeträger geht die Aufforderung: „Für Kinder im Alter unter drei Jahren und im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vorzuhalten“ (SGB VII, TAG § 24). Der Bedarf wird im Folgenden spezifiziert und bezieht sich vor allem auf Erziehungsberechtigte, die erwerbstätig sind, es werden wollen, sich in Ausbildung befinden oder an Maßnahmen der Eingliederung in Arbeit teilnehmen und auf Kinder, die zu ihrem Wohl einer entsprechenden Förderung bedürfen.
- Die Förderung in Kindertagespflege umfasst zum einen die Vermittlung geeigneter Tagespflegepersonen, deren fachliche Beratung, Begleitung und weitere Qualifizierung sowie zum anderen die Gewährung einer laufenden Geldleistung in Form von Zuschüssen zur Rente und Unfallversicherung, die Erstattung von Sachleistungen und einen angemessenen Beitrag zur Anerkennung der Förderleistungen der Tagesmutter (SGB VII, TAG § 23).
- Jede Tagespflegeperson bedarf einer Erlaubnis zur Tagespflege, wenn sie mehr als 15 Stunden wöchentlich gegen Entgelt und länger als drei Monate Kinder außerhalb der elterlichen Wohnung betreuen will. Diese Erlaubnis umfasst auch eine Prüfung der Eignung, die im Gesetz spezifiziert wird. Die Erlaubnis wird für den Zeitraum von fünf Jahren ausgestellt (SGB VII, KICK § 43).
- Eine weitere Gleichstellung der Tagespflegepersonen mit Erziehungspersonen in Tageseinrichtungen wird durch die Verpflichtung der Tagespflegeperson zur Unterrichtung des Jugendamtes über Ereignisse, die für die Kinder bedeutsam sind, hergestellt (SGB VII, KICK § 43). Darüber hinaus fordert der Gesetzgeber die Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses (SGB VII, KICK § 72a). Mit beiden Forderungen soll ein Schutz der Kinder gegen möglichen Missbrauch im diesem weitgehend privaten Raum der Tagespflege erreicht werden.
Die vorliegenden Änderungen im KJHG kommen den Forderungen der Fachöffentlichkeit nach, die Ungleichbehandlung zwischen der öffentlichen, institutionellen Kinderbetreuung und dem semi-privaten Kindertagespflegebereich aufzuheben und damit gesellschaftliche Verantwortung auch für den bis heute noch grauen Markt der Kinderbetreuung zu übernehmen. Länder und Kommunen und mit ihnen die Träger der Jugendhilfe sind damit gefordert, geeigneten Tagespflegepersonen eine finanzielle Bezuschussung der Leistungen und Aufwendungen zu gewähren, Tagesmütter zu vermitteln, die Beratung von Eltern und von Tagesmüttern zu übernehmen, für deren Qualifizierung zu sorgen oder geeignete Träger zu beauftragen.
Für Erziehungsberechtigte könnte zukünftig sowohl die eigene Suche nach einer geeigneten Tagespflegeperson als auch die Unsicherheit, ob dieses Angebot den Bedürfnissen ihres Kindes entspricht, wegfallen, da sie sich an entsprechende, allerdings flächendeckend noch zu schaffende Beratungsstellen wenden könnten.
Verändern könnte sich auch die bisherige Realität, dass ein ganztägiger Tagespflegeplatz für unter Dreijährige die Erziehungsberechtigten mehr kostet als ein Platz in einer Kinderkrippe, da bei Eignung einer Tagesmutter diese durch die Kommune bezuschusst würde und damit der Weg geöffnet wäre, die Elternbeiträge zu staffeln, wie dies bereits in Kindertagesstätten geschieht. Die Jugendämter werden zudem gesetzlich verpflichtet, für eine kontinuierliche Betreuung zu sorgen, d.h. Vertretungen bei Ausfall der Tagesmutter zu ermöglichen (SBG VII, § 22 TAG). Bei Ausfall der Tagesmutter (durch Krankheit o. ä.) lag das Problem bislang bei den Eltern.
Für die Tagesmütter ändert sich, dass sie in den zuständigen Jugendämtern oder ihren Vertretungen nun eine Anlaufstelle zur Beratung in allen die Tagespflege betreffenden Fragen haben. Zusammenschlüsse von Tagesmüttern in Vereinen oder gemeinnützigen Unternehmungen werden ebenfalls von dort aus beraten, unterstützt und gefördert. Die teilweise Bezuschussung der Tagesmutter und der Qualifizierungsangebote sollen die Qualität der Betreuung insgesamt verbessern. Damit wäre auch ein Schritt in Richtung Verberuflichung des Feldes Tagespflege möglich, der vor allem dort Auswirkungen hat, wo erfahrene Tagesmütter, deren eigene Kinder aus dem Betreuungsalter herausgewachsen sind, die Betreuung fremder Kinder zu ihrem Beruf machen wollen.
Ob eine solche Entwicklung, wie sie die jetzt verabschiedeten Gesetze zur Kindertagespflege ermöglichen, auch tatsächlich stattfinden wird, liegt vor allen Dingen in der Hand der Kommunen als Finanzierungsträger im Bereich der Kindertagespflege und an den Ländern als bezuschussende Instanz. Notwendig dafür wäre, dass die Länder die gesetzliche Bundesvorgabe konkretisieren und die Kommunen diese als bindend betrachten. Die Kommunen befinden sich derzeit in einem Dilemma: Auf der einen Seite favorisieren sie die Tagespflege als Alternative zur vermuteten teureren Krippe. Angesichts leerer Kassen scheuen sie auf der anderen Seite eine zu Beginn notwendige Herstellung von Infrastruktur und Qualifizierung von Tagesmüttern. Denn hier können ebenfalls nicht unerhebliche Ausgaben anfallen, wenn ein qualitativ gestaltetes alternatives Betreuungsangebot ermöglicht werden soll.
Eine weiterführende Beschreibung des Feldes und seiner Probleme umreißen drei aktuelle Veröffentlichungen (Diller u.a. 2005; Jurczyk u.a. 2004; Keimeleder u.a. 2001), vor deren Hintergrund dieser Text entstand und die Bezug nehmen auf
- Qualitätsentwicklung in der Tagespflege,
- Qualität der Betreuung in Tagespflege und deren Überprüfung,
- Rahmenbedingungen der Betreuung in Tagespflege und
- aktuelle Lage im Feld der Tagespflege.
Die von uns in die Datenbank ProKiTa aufgenommenen Projekte spiegeln die bisher geringe sowohl gesellschaftliche als auch wissenschaftliche Beachtung der Kindertagespflege wider. Nach unseren ausgiebigen Recherchen gibt es einige wenige Projekte zum Thema Kindertagespflege aus dem Zeitraum 1998 bis 2005, von denen bisher neun in die Datenbank aufgenommen werden konnten. Drei Themenbereiche zeichnen sich hierbei ab:
- die Qualifizierung von Tagespflegepersonen (ein Projekt)
- die Qualitätsfeststellung in der Kindertagespflege (zwei Projekte)
- die Entwicklung, Verbreitung und Qualitätssicherung von Kindertagespflege durch organisatorische Maßnahmen (sechs Projekte)
Qualifizierung von Tagespflegepersonen
Entwicklung und Evaluation curricularer Elemente zur Qualifizierung von TagespflegepersonenZentral für das Thema Qualifizierung im Feld der Kindertagespflege ist das Projekt „Entwicklung und Evaluation curricularer Elemente zur Qualifizierung von Tagespflegepersonen“ des DJI, in dem eine Grundqualifizierung für Tagesmütter entwickelt wurde. Das Programm wurde für 160 Stunden Fortbildung konzipiert und führt in die gesamte Breite des Themenfeldes ein. Die Inhalte sind einem Baukastensystem zugeordnet, das je nach Fortbildungsbedarf aufgeteilt werden kann.
Auf der Grundlage einer Evaluierung von neun bestehenden Fortbildungsprogrammen wurden Qualitätskriterien für die Qualifizierung formuliert, ein Instrumentarium zur Selbstevaluation der FortbildnerInnen erstellt und das Curriculum für die Grundqualifikation von Tagesmüttern erarbeitet. Das Curriculum ist aufgrund einer Evaluation vorliegender Angebote das einzige nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelte Ausbildungskonzept für die Kindertagespflege im deutschsprachigen Raum. Im Feld Kindertagespflege wird auf dieses Curriculum zurückgegriffen, wenn es um die Qualifizierung von Tagesmüttern geht, wobei die NutzerInnen sich entlang dem Baukastensystem einzelne Bausteine herausgreifen, sie nach Bedarf vor Ort zusammenstellen oder aber die Grundqualifizierung verwenden. Die schriftlichen Materialien sind über den Buchhandel erhältlich.
Qualitätsfeststellung in der Kindertagespflege
Um Qualität in der Kindertagespflege feststellen zu können, wurde in den folgenden beiden Projekten die „Family Day Care Rating Scale“ FDCRS von Harms und Clifford und die „Caregiver Interaction Scale“ CIS von Arnett verwendet. Während im ersten Projekt diese für deutsche Bedingungen adaptiert wurden und zu einem eigenen Instrument der Tagespflegeskala (TAS) von Tietze zusammengeführt wurden, wendet im zweiten Projekt der Autor die beiden Untersuchungsinstrumente direkt an. Die Projekte unterscheiden sich zudem in den Rahmenbedingungen ihrer Untersuchungsregionen. Während in Brandenburg die Tagesmütter noch weitestgehend privat wirtschaften, sind die Tagesmütter im Raum Salzburg an Trägervereine angeschlossen und durchlaufen alle zu Beginn ihrer Tätigkeit eine Grundbildung. Beide Studien zeigen auf, dass die Qualität der Betreuung in der Kindertagespflege ansteigt, wenn Tagesmütter eine begleitende Qualifizierung durchlaufen.Pädagogische Qualität in Tagespflegestellen im Land Brandenburg
Das Projekt, durchgeführt von der Pädagogischen Qualitäts-Informations-Systeme gGmbH, Berlin, untersucht die Struktur- und Prozessqualität in 61 Tagespflegestellen im Land Brandenburg. Gleichzeitig mit der Untersuchung wurde zur Erfassung der pädagogischen Prozessqualität im Setting Tagespflege das Instrumentarium Tagespflegeskala (TAS) entwickelt, als eine deutsche Adaption des Day Care Rating Scale (FDCRS) angesehen werden kann. Für das theoretische Konzept wurde die Kindergarten-Einschätzskala (KES-R) herangezogen.
Die Untersuchung macht differenzierte Aussagen zu umfangreichen Qualitätsaspekten in der Tagespflege und beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Eltern und Tagesmüttern. Die Befragungen von Eltern und Tagespflegepersonen ergaben, dass die Qualität in den Tagespflegesituationen sehr stark streut. So wurden ebenso überdurchschnittlich gute Tagespflegequalitäten wie hinreichende und unzureichende Qualitäten vorgefunden. Dort, wo sich Tagesmütter umfangreicher z. B. durch Fortbildungen auf ihre Tätigkeit vorbereitet hatten, war eine signifikant höhere Qualität auszumachen. Festgestellt wurde eine bisher noch mangelnde fachliche Begleitung der Tagesmütter in den Jugendamtsbezirken Brandenburgs. Die Qualitätseinschätzskala ist über den Buchhandel erhältlich.
Evaluierung der Qualität in der Betreuung durch Tagesmütter
Für die Region Salzburg/Österreich fand eine „Evaluierung der Qualität in der Betreuung durch Tagesmütter“ durch das Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Salzburg statt. Von zentralem Interesse war dabei die Evaluierung der Struktur- und Prozessqualität im Tagespflegesetting Salzburger Kindertagespflegestellen. Die Studie bezieht sich wie die Studie in Brandenburg methodisch auf die Day Care Rating Scale (FDCRS) und die Caregiver Interaction Scale (CIS). Obwohl die Tagesmütter in Österreich in der überwiegenden Anzahl Angestellte von Tagesmüttervereinen sind und alle eine Eingangsqualifikation durchlaufen, wurde ein Defizit in der pädagogischen Qualität gegenüber den Kindertagesstätten festgestellt. Der Autor bezieht diesen Mangel vor allem auf eine unzureichende Strukturqualität. In der Schaffung ausreichender sozialer Absicherung der Tagesmütter wird ein wichtiger Faktor zur Stabilisierung der Tagespflegeverhältnisse gesehen, der sich maßgebend auf die Situation die betreuten Kinder auswirkt. Einen weiteren Faktor in diesem Sinn stellt die kindgerechte Ausstattung der Wohnung der Tagespflegepersonen dar, die sich in der Untersuchung als ungenügend herausstellte. Hier wird ein Konzept zur Qualitätsentwicklung, -beurteilung und -sicherung gefordert, das Bezug auf die konkrete Situation vor Ort nimmt.
Entwicklung, Verbreitung und Qualitätssicherung von Kindertagespflege durch organisatorische Maßnahmen
Die unter diesem Thema zusammengefassten sechs Projekte haben zum Ziel, Ergebnisse und Entscheidungshilfen zur Verfügung zu stellen, um einen weiteren Ausbau der Kindertagespflege zu ermöglichen. Ein erster Schritt in Richtung Institutionalisierung der Kindertagespflege besteht im Aufbau eines Dienstes, der die Vermittlung und Beratung von Eltern und Tagespflegepersonen übernimmt. Je nach Region hat dieser so unterschiedliche Bezeichnungen wie Servicestelle, Tagespflegebörse oder Tagesmütterverein, und das bei jeweils gleichem Aufgabenbereich. Vier Projekte zeigen die Neugestaltung solcher Dienste auf. Neben der Beratung und Vermittlung wurde in diesen Projekten auch die Bereitstellung und Organisation der Qualifizierung von Tagespflegepersonen, wie die Bereitstellung oder Organisation von Vertretungskräften, übernommen.Die Unterschiede liegen zum Teil im Fokus der Zielsetzungen der Projekte, der entweder die Gesamtversorgung mit Betreuungsangeboten in den Blick nimmt oder sich auf die Schaffung von Tagespflegeplätzen beschränkt. Wo der Blick auf eine Gesamtversorgung gerichtet ist, spielt z.B. die Vernetzung der Angebote eine Rolle, die in den anderen Projekten nicht aufgegriffen wird. Zwei Projekte behandeln die spezifisch zu lösenden Probleme beim Aufbau von Beratungsdiensten im ländlichen Raum und weisen auf die Notwendigkeit einer spezifischen Mobilität von Beratungsdiensten hin.
Alle Projekte verbinden die durch die Ergebnisse unterstützten Forderungen nach einer gezielten Qualifizierung derjenigen Personen, die die Servicestellen, Börsen oder Tagesmüttervereine betreiben sowie die Ermöglichung umfangreicherer Qualifizierungen von Tagespflegepersonen. Die kostenlose Bereitstellung von Materialien im Internet für Kommunen im ländlichen Bereich, die Beratungsdienste für die Kindertagespflege entwickeln wollen, stellt unter den Projekten ein einmaliges Angebot dar. Das Verhältnis zwischen Kosten und Qualität der Betreuung in der Kindertagespflege wird nur im Projekt „Kinderbetreuung in der Tagespflege“ aufgegriffen. Ihre Ergebnisse stellen Entscheidungs- und Argumentationshilfen für alle Handelnden im Bereich der Kindertagespflege dar.
Kinderbetreuung in Tagespflege
Das DJI-Projekt „Kinderbetreuung in Tagespflege“ untersuchte good practice-Beispiele, vergleicht die Erfahrungen europäischer Länder in der Tagespflege und erarbeitet Entscheidungs- und Argumentationshilfen für die Praxis, durch die der qualitative Auf- und Ausbau der Tagespflege befördert werden kann. Zentrale Aussage in den Ergebnissen stellt die Bindung der Tagespflege an einen anerkannten Träger als Grundlage für die Akzeptanz dieser Betreuungsform durch die Eltern dar. Wesentliche Aussagen werden in der Untersuchung zur qualifizierten Tagespflege, zur Qualität der fachlichen Begleitung, zu den Kosten eines Tagespflegeplatzes und zu geeigneten Finanzierungskonzepten gemacht. Eingefordert wird eine öffentliche Verantwortung für den Bereich der Tagespflege, inklusive einer soliden Finanzierung aus öffentlichen Mitteln. Zentrale Ergebnisse des Projekts sind in die Publikation Jurczyk u.a. (2004) eingegangen.
Qualität in der Kinderbetreuung durch Tagespflege – Theoretische Konzepte und Ergebnisse einer empirischen Erhebung in Nordwestdeutschland
Auf der Grundlage einer Literaturrecherche über die gegenwärtige Qualitätsdiskussion in den benachbarten Feldern Kinderkrippe und Kindergarten wurden in dieser Studie MitarbeiterInnen in Jugendämtern, Familienservices, Tagespflege- und ähnlichen Vereinen in fünf Bundesländern zum Qualitätsstand der Tagespflege befragt. Ergänzend dazu wurde eine Analyse der in Vermittlungsstellen verwendeten Informationsmaterialien durchgeführt. Es werden Probleme und Bedingungen der Qualitätssicherung benannt und die Bedeutung von Qualifikationen für die VermittlerInnen und für Tagespflegepersonen herausgearbeitet. Die Darstellung der Anforderungen an MitarbeiterInnen von Vermittlungs- und Beratungsstellen sowie die Herausarbeitung der Bedeutung einer Verberuflichung oder zumindest einer Zertifizierung von Tagespflegepersonen zeigten einen Weg zur Vereinheitlichung von Qualitätsstandards in der Tagespflege auf.
Tagespflegebörsen im ländlichen Raum
Modellartig wurden in zwei Landkreisen von Rheinland-Pfalz mit einem öffentlichen Träger (Landesjugendamt) und einem privaten Träger Tagespflegebörsen geschaffen, die die Vermittlung, Beratung und Qualifizierung von Tagespflegepersonen übernehmen können. Ziel war es, jugendamtsübergreifende Arbeitsweisen, die bislang unüblich waren, zu ermöglichen und die MitarbeiterInnen zu einem gemeinsamen Verständnis der Vermittlungsaufgabe zu führen. Begleitend wurden aus den Ergebnissen des Projekts Materialien zur Beratung, Qualifizierung und dem organisatorischen Umgang mit den Vermittlungsaufgaben erstellt, die den möglichen Trägern von Tagespflegebörsen zur selbstständigen Organisation und zum Betrieb einer solchen Börse verhelfen sollen. Den MitarbeiterInnen in den Börsen wird ein Dokumentationsverfahren ihrer Beratungen und Materialien für die Qualifizierung von Tagesmüttern an die Hand gegeben. Die Materialien können im Internet abgerufen werden.
Service-Stelle Kinderbetreuung
In Siegen begleitete ein Projekt die Erstellung einer Service-Stelle, in der arbeitsmarktorientierte und familienpolitische Zielsetzungen zum Ausgangspunkt für die Entwicklung von außerinstitutionellen Angeboten der Kinderbetreuung gemacht wurden. Durch Auswertungen vorhandener Statistiken und einer selbst durchgeführten Befragung von Familien mit Kindern wurden Angebote entwickelt, die auf die Bedarfe vor Ort eingehen, wie z. B. die Tagespflege, eine Schulkinderbetreuung, Ferienbetreuungen oder eine Betreuung über die Öffnungszeiten anderer Betreuungsinstitutionen hinaus. Gleichzeitig wurde im Projekt ein umfassendes Beratungsangebot für Tagesmütter, Eltern und Personen entwickelt, die im Rahmen von Existenzgründungen Kinderbetreuung anbieten. Ziel ist es, die Angebote der Region bedarfsgerecht zu vernetzen. Die so entstandene Servicestelle begreift sich als Anlaufstelle für alle Fragen der Kinderbetreuung in der Region und als Beobachterin zukünftiger Entwicklungen in den Bereichen Tagespflege und Schulkindbetreuung. Als Zwischenergebnis der Begleitung wurde eine soziale Staffelung der Elternbeiträge bei allen Angeboten gefordert.
Flächendeckender Auf- und Ausbau von Tagesmüttervereinen in Baden-Württemberg
Bereits in den Jahren 1995 bis 1999 beauftragte der Landtag Baden-Württemberg den Landesverband der Tagesmütter, Pflegeeltern und Eltern im Rahmen eines Projekts damit, die Grundlagen für ein flächendeckendes Angebot von beratenden und vermittelnden Tagesmüttervereinen zu schaffen. Im Projekt wurden anhand der beim Aufbau der Vereine gemachten Erfahrungen landesweite Vorgaben von Qualitätsstandards in Beratung, Begleitung, Vermittlung und Qualifizierung erstellt. Entstanden ist eine Beschreibung von Rahmenvoraussetzungen zum Aufbau eines qualifizierten Angebots, der Vorschlag für eine Qualifizierung von Tagesmüttern im Rahmen eines 62 Einheiten umfassenden Curriculums und die Forderung nach einer halben Stelle qualifizierten Personals (SozialpädagogIn) für einen Tagesmütterverein bei 45 zu vermittelnden Kindern. Aus den Berichten werden die Bedingungen für eine erfolgreiche Vereinsgründung und die erforderlichen Ressourcen zur Führung eines Tagesmüttervereins deutlich.
Qualifizierte Kindertagespflege
Das Bayerische Landesjugendamt ist Träger dieses Modellprojekts, in dem die staatliche Förderung von Tagespflegeangeboten im Sinne einer kind- und nutzungszeitbezogenen Finanzierung erprobt werden soll, um das Tagespflegangebot in den Förderungskatalog für alle Kinderbetreuungsangebote Bayerns aufnehmen zu können. Erprobungsziele des Modellprojekts sind die Anbindung von Tagesmüttern an einen Träger, das Auffinden unterschiedlicher Formen einer Ersatzbetreuung bei Ausfall der Tagesmutter, die Qualifizierung der Tagesmütter durch den jeweiligen Jugendhilfeträger und die Einbindung der Tagesmütter in die Bezuschussungslogik der neuen Finanzierungsregelungen des Landes. Das Projekt wird erst 2006 abgeschlossen und befindet sich in der Datenbank bisher in einer Kurzfassung.
Trotz der Zunahme einer Betreuung in Kindertagespflege fehlt dem Feld weitgehend die wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Hier wäre zu wünschen, dass der Ausbau und die Entwicklungen vermehrt durch wissenschaftliche Projekte begleitet werden, um zum einen die Übertragbarkeit gewonnener Ergebnisse zu nutzen und damit Anstoß für weitere Entwicklungen zu geben und zum anderen Möglichkeiten und Grenzen dieses Feldes deutlicher werden zu lassen.
Verwendete Literatur
- Bundesdrucksache 15/3676 vom 6. September 2004: Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz TAG).
- Bundesdrucksache 444/05 vom 17. Juni 2005: Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz KICK).
- Diller, Angelika/Jurczyk, Karin/Rauschenbach, Thomas: Tagespflege zwischen Markt und Familie – Neue Herausforderungen und Perspektiven. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut, 2005.
- Jurczyk, Karin/Rauschenbach, Thomas/Tietze, Wolfgang u. a.: Von der Tagespflege zur Familientagesbetreuung. Weinheim und Basel: Beltz, 2004.
- Jurczyk, Karin: Tagespflege – Frauenarbeit, familiennah. In: Diller u. a., 2005, S. 10-28.
- Keimeleder, Lis/Schumann, Marianne/Stempinski, Susanne/Weiß, Karin: Fortbildung für Tagesmütter – Konzepte, Inhalte, Methoden. Opladen: Leske + Budrich, 2001.
- Schumann, Marianne: Formenvielfalt. In: Jurczyk, 2004, S. 54-77.
- van Santen, Eric: Öffentliche Kindertagespflege – Kennzahlen und Entwicklungstendenzen. In: Deutsches Jugendinstitut: Zahlenspiegel 2005.
- van Santen, Eric; Seckinger, Mike: Entwicklungen in der Tagespflege. In: DJI-Projekt Zahlenspiegel (Hrsg.): Zahlenspiegel – Daten zu Tageseinrichtungen für Kinder. Kindertageseinrichtungen in Stadtteilen mit hohem Entwicklungsbedarf. München, 2002.