Armutsprävention bei Alleinerziehenden
Entwicklung kommunaler Strategien zur Armutsbekämpfung bei Alleinerziehenden. Prekäre Lebenslagen und die Vernetzung von Hilfen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt am Beispiel der Stadt Nürnberg.
Local strategies to prevent poverty of lone parents
Ergebnisse
Schon erste Auswertungen von Daten zur Struktur der Sozialhilfe beziehenden allein Erziehenden in Nürnberg haben gezeigt, dass unter ihnen der Anteil von Nichtdeutschen unerwartet hoch liegt (bei fast einem Drittel). Daraus ergab sich eine zentrale Fragerichtung für die Experteninterviews und die standardisierte Befragung allein Erziehender: Durch Vergleiche zwischen „Deutschen“ und „Migranten“ können Besonderheiten der Lebenssituation von Migrantinnen und für sie – eine selbst sehr heterogene Gruppe – typische Problemkonstellationen, aber auch ihr spezifischer Unterstützungsbedarf, z.B. im Bereich der Sprachförderung, herausgearbeitet werden.
Im Blick auf die Ausarbeitung eines (auf andere Städte übertragbaren) kommunalen Handlungskonzepts zur Unterstützung allein Erziehender wurden aus den bisher geführten fast 50 Experten-Interviews vier zentrale „strategische“ Handlungsfelder abgeleitet, denen greifbare Effekte auf die Arbeitsmarktintegration allein Erziehender zugemessen werden können.
1. Umfassende und orientierende Arbeitsberatung und –vermittlung mit Profiling/Assessment + Case management
2. Entwicklung von zielgruppengerechten Qualifizierungswegen (z.B.Teilzeit, mit Kinderbetreuung, Stützunterricht, sozial-pädagogische Begleitung)
3. Flexible Kinderbetreuung im und jenseits des Regelangebots
4. Die Nachbarschaft als Ressource – sozialräumliche Praxiskonzepte
In die Auswahl bzw. Konstruktion dieser vier Handlungsfelder gingen auch Ergebnisse von Recherchen in anderen Kommunen ein, in denen innovative Projekte zur Unterstützung allein Erziehender bei der Arbeitsmarktintegration konzipiert und realisiert wurden.
Auf dem ersten bundesweiten Workshop zum Projekt, der am 16.6.2004 in Nürnberg stattfand, waren diese vier Handlungsfelder Thema von thematischen Gesprächsrunden. In ihnen ging es darum, erste Schritte zur Priorisierung von Bausteinen innerhalb dieser vier Handlungsfelder und Querverbindungen zwischen den vier Feldern heraus zu arbeiten. Nach dem Workshop und durch die an ihn anschließende Netzwerkarbeit („erweiterter Kreis“) sollen sich die Informationen über innovative Projekte zu einem Gesamtbild über die Innovationslandschaft und zentrale Innovationslinien rund um das Thema „Armutsprävention bei Alleinerziehenden“ verdichten.
Erste Auswertungsergebnisse aus der standardisierten Befragung allein Erziehender, die Sozialhilfe beziehen, zeigen aus der Perspektive der Betroffenen, welche Bedeutung die Themen: orientierende Arbeitsberatung und –vermittlung, Zugang zu Qualifizierungswegen, die mit Elternschaft vereinbar sind, flexible Kinderbetreuung und sozialräumliche Praxiskonzepte zur Unterstützung bei ihrer eigenen Lebensplanung haben.
Kurze Zusammenfassung erster Zwischenergebnisse
Erwerbsorientierung/Arbeitsberatung und -vermittlung
- Der eigenen Erwerbsarbeit wird ein überraschend hoher Wert beigemessen: Unter den derzeit nicht erwerbstätigen Sozialhilfe beziehenden allein Erziehenden liegt die Erwerbsmotivation bei 88%.
- und das auch bei den Frauen mit Kindern unter drei Jahren (ca. 80%). Auch beschreiben sich fast die Hälfte der allein Erziehenden mit Kleinkindern (45,6%) als arbeitsmarktnah (Möglichkeit eines sofortigen Stellenantritts), wohingegen die Arbeitsmarktnähe bei den allein erziehenden Elternteilen mit Kindern ab Vorschulalter deutlich höher liegt (ca. 70%). Mit überwältigender Mehrheit wird eine Teilzeittätigkeit präferiert; und dies unabhängig vom Alter des jüngsten Kindes im Haushalt.
- Bei einem Großteil der Untersuchungsteilnehmer deutet sich ein großer Orientierungsbedarf im Hinblick auf Arbeitsberatung an.
- Ganzheitlich angelegte Beratungsangebote (die neben der beruflichen Situation auch die persönlichen Umstände der Betroffenen in die Beratung einbeziehen) werden deutlich besser bewertet als eng auf Arbeitsvermittlung eingeschränkte Beratungsangebote.
- Mehr als die Hälfte der Befragten (fast 60%) fühlt sich aufgrund der Lebensform „allein Erziehend“ auf dem Arbeitsmarkt öfters und manchmal diskriminiert.
Qualifizierung/Ausbildung
- Ein Drittel der Befragten weist keinen beruflichen Abschluss auf, etwa die Hälfte dieser Personen hat bereits ein oder mehrmals einen Ausbildungsabbruch hinter sich. In dieser Gruppe (ebenso wie in der Gesamtgruppe) besteht großes Interesse an einer „Modifizierten Vollzeitausbildung“, einer speziellen Form der Teilzeitausbildung innerhalb des Dualen Berufssystems, welche u.a. günstige Rahmenbedingungen für eine gute Vereinbarkeit von Mutterschaft und Ausbildung bietet.
- Die Daten weisen darüber hinaus auf die große Bedeutung einer abgeschlossenen Berufsausbildung nicht nur für die berufliche, sondern auch für die soziale Integration hin: Untersuchungsteilnehmer mit fehlendem Berufsabschluss verfügen über ein deutlich kleineres soziales Netz als Personen mit abgeschlossener Ausbildung.
Angebote im sozialen Nahraum/Soziale Netze
- Je kleiner das soziale Netz der Befragten, desto weniger fühlen sie sich sozial unterstützt.
- Jede Dritte verfügt nur über ein sehr kleines Netz an Bekannten und Freunden. Diese sozial schwach Eingebundenen weisen überproportional häufig (neben einem fehlenden Berufsbildungsabschluss) ein niedrigeres Schulbildungsniveau auf. Ihr psychisches Wohlbefinden ist deutlich stärker beeinträchtigt als das derjenigen Personen mit größerem Netzwerk. Ihnen stehen auch weniger Bewältigungsressourcen zur Verfügung.
Kinderbetreuung
- Die Kinderbetreuung stellt nach den bisherigen Erkenntnissen die Schlüsselfrage bei der Arbeitsmarktintegration allein Erziehender dar. Neben einer bedarfsgerechten Betreuungsmöglichkeit kommt vor allem der Flexibilität der Betreuung eine große Bedeutung zu: u.a. werden die Unvereinbarkeit von Öffnungszeiten der Kindertagesstätte mit den Arbeitszeiten als einer der häufigsten Scheiterungsgründe bei der Stellensuche genannt.
- Den allein Erziehenden gelingt es, zum Abfangen öffentlicher Betreuungslücken spontan ein vielfältiges und individuelles Betreuungsarrangements zu organisieren, das ihnen einen Stellenantritt ermöglicht.