Jugendfreundschaften während der Coronakrise

Gemeinsame Aktivitäten mit Gleichaltrigen waren in der Pandemie nur eingeschränkt möglich. Die Ergebnisse des AID:A-Surveys machen deutlich, wie sich die Peerbeziehungen der Jugendlichen verändert haben.

Von Andreas Herz[1] und Kien Tran

Damit Jugendliche die Herausforderungen des Erwachsenwerdens meistern können, brauchen sie Gleichaltrige. Peers, besonders Freundschaftsbeziehungen, sind im Alltag von Jugendlichen essenziell, sei es für gemeinsame Freizeitaktivitäten, die Erprobung neuer Rollen in der Gesellschaft, die Planung der privaten und beruflichen Zukunft, für ehrenamtliches Engagement oder gemeinsame Hobbys (Berngruber/Gaupp 2021). Wie die Pandemie und damit verbundene Kontaktbeschränkungen die Beziehungen Jugendlicher zu ihren Peers verändert haben, zeigen die Ergebnisse des Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“, kurz AID:A, des Deutschen Jugendinstituts (DJI)[2], bei dem im Herbst 2021 Jugendliche und junge Erwachsene nach 2019 wieder befragt wurden. Dies erlaubt den direkten Vergleich zwischen den Situationen vor der Pandemie anhand der Befragung aus 2019 und nach den strikten Kontaktbeschränkungen insbesondere im Frühjahr 2020 sowie zwischen Dezember 2020 und Mai 2021 anhand der Befragung vom Herbst 2021.

Die Befragungen von Jugendlichen, die im Jahr 2019 zwischen 12 und 17 Jahren alt waren und sowohl 2019 als auch 2021 Auskunft über ihre Peerbeziehungen gegeben haben, zeigen, dass die Bedeutung der Freundschaftsbeziehungen in diesem Zeitraum leicht abgenommen hat. Befragt nach wichtigen Personen des sozialen Nahumfelds gaben die Jugendlichen vor der Pandemie an, dass für sie neben der Mutter vor allem gute Freunde und Freundinnen einen besonders hohen Stellenwert aufweisen und damit zentrale Bezugspersonen darstellen (Tran/Gaupp 2021). 66 Prozent der Jugendlichen schätzten damals ihre guten Freunde und Freundinnen als „sehr wichtig“ ein. Im Gegensatz dazu ist dieser Anteil im Herbst 2021 auf 58 Prozent zurückgegangen (n = 1.126). Der Stellenwert der Beziehungen zu Gleichaltrigen bleibt damit aber dennoch hoch.

Freundschaften bleiben wichtig, verlieren aber leicht an Bedeutung: Während im Jahr 2019 66 Prozent der Jugendlichen ihre guten Freunde und Freundinnen als „sehr wichtig“ einschätzten, traf dies im Herbst 2021 nur noch auf 58 Prozent von ihnen zu.

Gründe für die leicht gesunkene Bedeutung der Peers liegen vermutlich in den stark eingegrenzten Möglichkeiten, Freundschaften bei persönlichen Zusammenkünften zu pflegen. Denn während der Pandemie waren viele Aktivitäten, bei denen Jugendliche üblicherweise mit ihrem Freundeskreis zusammenkommen, gar nicht oder nur eingeschränkt möglich. Beispielsweise fehlten konkrete Orte des Zusammenseins – in Bildungseinrichtungen, in Jugendzentren, im Kontext von Hobbys, beim Sport oder bei kulturellen Aktivitäten. Treffen im öffentlichen Raum waren in Teilen untersagt. Ohne diese Gelegenheiten, sich zu treffen, gestalten Jugendliche ihre Peerbeziehungen in veränderter Form. Die Veränderungen zeigten sich auch im Herbst 2021, also nach den Phasen der strikten Lockdowns, als Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen wieder weitgehend öffneten und Kontakte je nach lokalem Infektionsgeschehen eingeschränkt waren. So fand der Unterricht im Herbst 2021 in Abhängigkeit von der Anzahl der Infizierten für gesamte Schulklassen oder für einzelne Infizierte bis zu deren Genesung als Distanzunterricht statt.

Jugendliche treffen sich vermehrt digital und an öffentlichen Orten

Der Vergleich der mittleren Häufigkeiten in einer sechsstufigen Skala zwischen „nie“ und „täglich“ für unterschiedliche Aktivitäten in den Jahren 2019 und Herbst 2021 zeigt, dass sich 12- bis 17-Jährige seltener an Bildungsorten treffen. Ebenso finden Treffen an Orten außerschulischer Freizeitangebote, wie im Verein, in einer Jugendgruppe oder im Jugendzentrum, weniger oft statt.

Die Jugendlichen unternehmen auch seltener gemeinsame Freizeitaktivitäten, zum Beispiel in den Bereichen Sport, Musik, Theater. Trotz der weitgehenden Öffnung finden Treffen an diesen Orten der Kopräsenz noch vermindert statt. Gleichzeitig verdeutlichen die Daten aber auch, dass Jugendliche sich im Mittel nun häufiger an öffentlichen Orten treffen, wie beispielsweise auf der Straße, im Park, auf Spielplätzen oder im Einkaufszentrum. Die Häufigkeit der Online-Kontakte hat sich in einer sechsstufigen Skala zwischen „nie“ und „mehrmals täglich“ während der Coronapandemie im Mittel intensiviert, etwa bei Aktivitäten wie Chatten und dem gemeinsamen Spielen von Online-Spielen. Jugendliche nutzen damit vermehrt öffentliche und digitale Orte, um zusammen mit Freund:innen Zeit zu verbringen.

Junge Menschen stärken sich in Gesprächen über persönliche Anliegen

Peers sind nicht nur für die gemeinsame Freizeitgestaltung relevant, sondern erfüllen auch wichtige Funktionen beim Bewältigen von Herausforderungen des Jugendalters und der besonderen Situation während Corona. Dies spiegelt sich auch in der Unterstützungsleistung von Peerbeziehungen wider – also beispielsweise daran, ob zwischen den Jugendlichen persönliche Dinge besprochen werden. Diese Funktion übernehmen Peerbeziehungen gleichbleibend zwischen 2019 und 2021. Auch wenn seltener persönliche Treffen stattfanden und die Bedeutung von Peers während der Pandemie nach den AID:A-Ergebnissen leicht zurückging, fanden Jugendliche offenbar dennoch Wege der gegenseitigen Stärkung.

Peerbeziehungen sollten weiter im Forschungsfokus bleiben

Fest steht: Durch den veränderten Kontakt mit Gleichaltrigen während der Pandemie erfolgten zentrale Prozesse des Jugendalters wie Selbstpositionierung und Verselbstständigung mindestens zwei Jahre lang unter veränderten Bedingungen. So sind beispielsweise Schule, Freizeiteinrichtungen oder Angebote der Jugendarbeit wichtige Kontexte für das Knüpfen und die Anbahnung von neuen Freundschaften (Tran/Gaupp 2021). Es ist davon auszugehen, dass diese Kontaktanbahnung zu Zeiten der Pandemie insgesamt weniger häufig erfolgte. Kopräsente Treffen fanden im Herbst 2021 in Bildungs- und Freizeiteinrichtungen seltener statt als in 2019. Stattdessen trafen sich Jugendliche vermehrt an öffentlichen Orten. Außerdem hielten sie öfter digital Kontakt. Während die Analysen lediglich die Veränderung zwischen den Jahren 2019 und 2021 zeigen, sollte künftig weiter untersucht werden, für welche Jugendlichen in welchen Lebenslagen sich Peerbeziehungen möglicherweise nachhaltig verändert haben und wie sich Jugendfreundschaften in Post-Coronazeiten weiterentwickeln.

Berngruber, Anne / Gaupp, Nora (2021): Lebenswelten und Erfahrungen junger Menschen in Zeiten von Corona. Ergebnisse aus dem Corona-Add-on zur AID:A-Studie. In: DREIZEHN – Zeitschrift für Jugendsozialarbeit, H. 25, S. 4–9

Tran, Kien / Gaupp, Nora (2021): Freundschaften im Jugendalter: online, offline oder beides? In: Kuger, Susanne / Walper, Sabine / Rauschenbach, Thomas (Hrsg.): Aufwachsen in Deutschland 2019. Alltagswelten von Kindern, Jugendlichen und Familien. Bielefeld, S. 80–85

 

Weitere Analysen gibt es in Ausgabe 2/2022 von DJI Impulse „Der lange Weg aus der Pandemie: Wie sich die Coronakrise auf Jugendliche auswirkt und welche Unterstützung sie benötigen“ (Download PDF[3]).

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